Kleine Zeitung Kaernten

Der Countdown läuft

Zwei Wochen Aufschub gewährt Horst Seehofer Angela Merkel, um im Asylstreit eine europäisch­e Lösung zu finden.

- Von Damir Fras und Daniela Vates aus Berlin

Die CSU gibt Angela Merkel im Asylstreit zwei Wochen Zeit, um eine europäisch­e Lösung zu finden. Die deutsche Kanzlerin schart die CDU um sich und trifft für den Fall ihres Scheiterns Vorkehrung­en. Manches deutet darauf hin, dass es auch um ihre Nachfolge gehen könnte.

Zum Schluss geht es nur noch darum, wer das letzte Wort hat. Und diesen Kampf gewinnt Horst Seehofer. Nach tagelangem Gezerre, nachdem es so aussah, als ob die Regierung scheitern könnte am Streit zwischen CDU und CSU um die Flüchtling­spolitik, verkünden Seehofer und Angela Merkel eine Einigung. Es ist eine Einigung im Verfahren, keine inhaltlich­e. Eine 14-TageFrist, für die Kanzlerin, aber auch für die Union. Merkel und Seehofer verkünden sie nicht gemeinsam. Die eine spricht in Berlin, der andere in München. Und der eine redet noch, als die andere längst fertig ist.

Und er spricht in Superlativ­en. Der deutsche Innenminis­ter sagt: Die CSU-Spitze habe sich seinem Asyl-Plan „sehr, sehr einstimmig“angeschlos­sen. „Es gab nicht den Hauch eines Widerspruc­hs.“Hinter Seehofer blickt der bayerische Löwe von einer Stellwand. Und Seehofer blickt Richtung Berlin und fort ist die Einstimmig­keit. Denn da ist noch die Sache mit dem halben Punkt. Vor dem Wochenende sei die CDU mit 62 von 63 Punkten aus seinem Masterplan einverstan­den gewesen, sagt Seehofer. Übers Wochenende sei der Wert dann um einen halben Punkt auf 62 Komma 5 Punkte angestiege­n, sagt er. „Da bin ich zuversicht­lich, dass sich im Laufe der nächsten Tage das Punktekont­o noch verbessert.“Er kichert leise vor sich hin. In Berlin spricht Merkel ziemlich ernst von einer „schwierige­n Situation“und davon, dass derzeit oft die Emotionen die Politik D bestimmten. abei soll es ja eigentlich um die Sache gehen. Das sagen sie in der CSU. Seehofer hat Grundzüge seines Masterplan­s für die Flüchtling­spolitik im CSU-Vorstand vorgestell­t. In der Pressekonf­erenz sagt er dazu wenig. Er könne nicht gut über einen Plan reden, den seine Abgeordnet­en in Berlin nicht kennen, sagt er. Und er spricht auch nicht mehr von der umgehenden Zurückweis­ung von Flüchtling­en, die bereits in anderen EU-Ländern registrier­t wurden. In einem ersten Schritt werde er alle an den Grenzen abweisen lassen, die mit Einreiseve­rbot belegt sind. Völlig in Ordnung, entgegnet Merkel in Berlin. Sie habe gedacht, dass das schon so sei.

Um die Zurückweis­ungen es in zwei Wochen wieder gehen. Zwei Wochen hat Merkel nun, um mit anderen EU-Staaten auszuhande­ln, dass diese abgewiesen­e Flüchtling­e zurücknehm­en. Seehofer sagt, die Frist sei eine Frage des Anstands. „Das soll an den stilvollen Bayern nicht scheitern.“Als Merkel die Frist in der Vorwoche vorschlug, hat Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder sie beiseitege­fegt. Man habe in Europa schon so lange verhandelt, er sehe nicht, was ein paar weitere Tage jetzt bringen sollen. Derselbe Söder sagt nun, es sei wichtig, „ein paar I Tage inhaltlich zu reden“. n Berlin fasst Merkel die Gemeinsamk­eiten mit der CSU in der Asylpoliti­k so zusammen: „Wir haben das gemeinsame Ziel, zu ordnen, zu steuern.“Dann kommen schon die Konflikte: Es sei viel erreicht worden, sagt Merkel. „Da sind wir uns in der CDU einig.“Die CSU erwähnt sie nicht. Während CSU-Spitzen davon reden, die Flüchtling­spolitik müsse „vom Kopf auf die Füße“gestellt werden, sagt die Kanzlerin, es handle sich um einen kontinuier­lichen Prozess, dessen Grundlagen CDU und CSU gemeinsam vereinbart hätten.

Fühlt sie sich geschwächt? „Ich fühle mich angespornt“, sagt Merkel. Es sei nicht einfach, mit so einer Frist in Gespräche mit den EU-Partnern zu gehen. „Aber es lohnt sich, um CDU und CSU zusammenzu­halten.“Einen anderen Ansporn hat die Auseinande­rsetzung ihr auch gegeben: den, die CDU hinter sich zu scharen. Und vielleicht auch den, einen Plan zu machen für die nächsten Monate. Vielleicht auch einen Plan für ihren Rückzug.

Am Sonntagabe­nd versammelt Merkel dafür ein paar Leute in der CDU-Zentrale. Neun Stunden sitzt sie zusammen mit Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther, seinen Amtskolleg­en aus Hessen und Nordrhein-Westfalen, Volker Bouffier und Armin Laschet, und CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Zwei Stunden sind reserviert fürs Fußballsch­auen. Die deutsche Elf verliert gegen Mexiko.

Sieben Stunden beraten die CDU-Leute. Die Partei bereitet sich vor, auch auf den Ernstfall, den Bruch der Koalition und der Union von CDU und CSU. Kramp-Karrenbaue­r gilt als Merkels Favoritin für die Nachwird

folge in ihren Ämtern. Die Generalsek­retärin tut noch einen ganz anderen Schritt. In einem Artikel in der FAZ zum einjährige­n Todestag von Helmut Kohl schreibt sie Sätze, die die CSU auf sich beziehen kann. Der frühere Kanzler habe „gebrannt für ein Europa der Gemeinsamk­eit“.

Aber der Artikel hat auch eine andere Botschaft. Vor 19 Jahren hat Angela Merkel mit einem FAZ-Gastbeitra­g die Trennung der CDU von dem in den Spendenska­ndal verstrickt­en Kohl eingeleite­t. „Die CDU muss laufen lernen“, schrieb die damalige CDU-Generalsek­retärin Merkel. Kurze Zeit später war sie Parteichef­in. Kramp-Karrenbaue­r stellt Kohl als Vorbild hin, lobt dessen Mut, Entschloss­enheit und Schaffensk­raft. Kein Wort von der Spendenaff­äre. Es ist der Versuch, die CDU mit Kohl zu versöhnen, und es ist ein Bewerbungs­schreiben. A uch Seehofer hat einen Text in der FAZ. Darin wirbt er um Verständni­s: „Streit um den richtigen Weg ist doch der Wesenskern der Demokratie“. Vor der Presse kündigt er an, umgehend Menschen an den Grenzen zurückweis­en zu lassen, die in einem anderen EU-Land registrier­t sind, wenn Merkels Verhandlun­gen scheiterte­n.

Aber obendrein geht es gar nicht nur um diese paar Tausend Fälle:

„Es geht um einen grundlegen­den Dissens. Wir wollen die nationale Lösung.

Die CDU, wenigstens die Spitze, will diese nationale Lösung nicht“, sagt Seehofer. Eine Atempause mag da nicht reichen.

In Berlin sagt Merkel, am 1. Juli werde man sehen, ob ihr Bemühen in Europa etwas gebracht habe. Dass im Fall ihres Scheiterns die CSU mit ihren Zurückweis­ungen zum Zug kommt, sei nicht gesagt. „Es gibt keinen Automatism­us.“Und da habe sie die Richtlinie­nkompetenz.

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