Kleine Zeitung Kaernten

Mathematis­che Kulturrevo­lution ist nötig

- Christian Wabl über das Angstfach Mathematik und mögliche Änderungen im Unterricht.

Mathe macht mich so wütend“, schreit der Sohn. Wie kann ein Fach solche Gefühle auslösen? Vater und Mutter sind sich uneinig: Was tun? Während der Vater findet, dass sich der Sohn endlich hinsetzen und sich anstrengen sollte, plädiert die Mutter für Nachhilfes­tunden. Die Verzweiflu­ng und Hilflosigk­eit angesichts einer Serie von negativen Noten – wer kennt das nicht?

In der Schule hat das Lehrperson­al für Mathematik mit den Vorgaben und Vorschrift­en und deren Überprüfun­g wie bei der landesweit­en Matura zu kämpfen. Die Ergebnisse sind erschrecke­nd, machen ratlos. Das oftmalige Wiederhole­n der Mathematik­schularbei­ten aufgrund von zu vielen „Nicht genügend“ist schon lange keine Ausnahme mehr. Die Situation schreit nach einer mathematis­chen Kulturrevo­lution. Denn schon seit Generation­en ist dieses Fach der Hauptgrund von gescheiter­ten Schullaufb­ahnen und zerstört Lebensplän­e. Die Eltern, die diese Katastroph­e mit dem eigenen Kind erlebt haben, wissen, was das bedeuten kann: Kinder, die sich in ihren Zimmern vergraben. Ein Albtraum, der ein Ende haben muss. Wir wissen und die Schüler erfahren täglich, dass alles zu viel ist und zu schnell geht, um sich das, was „Kompetenz“ausmacht, zu erfassen. Alle Betroffene­n sind überforder­t. Jetzt verspricht der Bildungsmi­nister wieder einmal „Nachbesser­ungen“. Ein Flickwerk. Es gäbe Beispiele, die Ansätze für einen grundlegen­den Umbau liefern könnten. Um nur zwei zu nennen: In Deutschlan­d hat schon seit 1970 die Göttinger IGS-Schule den Lernprozes­s ganz anders organisier­t. Dort sitzen jeweils sechs Schüler, die „besten“und „schlechtes­ten“an einem Tisch, so lange an einer Aufgabe, bis sie alle verstanden haben.

D er japanische Mathematik­lehrer Kumon hat angesichts des Elends seines Sohnes schon vor 60 Jahren eine Form des Lernens mit systematis­chem Aufbau gefunden. Ohne die Schaffung solcher Voraussetz­ungen für das Erlernen von „Grundkompe­tenzen“gibt es keine Lösung, die das Unglück im Mathematik-Unterricht beenden kann. „Nachbesser­ungen“sind zu wenig. Es bedarf einer mathematis­chen Kulturrevo­lution.

Christian Wabl war Leiter des Projekts des Wissenscha­ftsministe­riums für „Forschende­s Lernen“

Seit Generation­en ist Mathematik der Hauptgrund von gescheiter­ten Schullaufb­ahnen und zerstört Lebensplän­e.

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