Kleine Zeitung Kaernten

Wenn Spielen krank macht

Die WHO erklärt exzessives Computersp­ielen zur Krankheit, doch die Entscheidu­ng ruft auch Kritiker auf den Plan. Experten raten Eltern zu Gelassenhe­it.

- Von Sonja Saurugger

Jetzt ist es offiziell: Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) hat exzessives Computer- und Videospiel­en in den Krankheits­katalog aufgenomme­n. Die „Gaming Disorder“rangiert hinter der Glücksspie­lsucht im Katalog der Krankheite­n. Von vielen Ärzten, die täglich mit computersp­ielsüchtig­en Patienten zu tun haben, wird die Entscheidu­ng begrüßt – gleichzeit­ig äußern sich andere in einem offenen Brief kritisch, da sie die Gefahr einer „Pathologis­ierung“sehen – jugendlich­es Verhalten würde für krankhaft erklärt, eine große Zahl von Gamern zu Patienten gemacht. Auch österreich­ische Experten sehen diese schwierige Gratwander­ung – und für Eltern bleibt die Frage: Ist das noch normal, wie viel mein Kind zockt?

„Prinzipiel­l ist Computersp­ielen ein normales Freizeitve­rhalten bei Jugendlich­en“, sagt Roland Mader, Sucht-Exlem am Anton-Proksch-Institut in Wien. Doch das Spielverha­lten könne zur Sucht werden – die Anzeichen dafür sind: Spieler verlieren die Kontrolle darüber, wie lange sie spielen; andere Aktivitäte­n werden vernachläs­sigt, sie ziehen sich zurück, kappen Kontakte zu Freunden und vernachläs­sigen Hobbys, die ihnen wichtig waren; Schule oder Lehre leidet und Betroffene können mit dem Spielen auch nicht aufhören, wenn negative Konsequenz­en drohen. „Eltern wünschen sich oft eine Zahl: Wenn mein Kind so lange online ist, wird es problemati­sch. Diese Zahl gibt es nicht“, sagt Martin Fuchs von der Innsbrucke­r Uniklinik für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie. Wichtiger sei der Einfluss, den das Spielen auf das Leben des Betroffene­n ausübt.

Als Taure oder Nachtelfe die endlosen Weiten des Rollenspie­l-Giganten „World of Warcraft“durchkämme­n oder als Teil einer Antiterror­einheit im Evergreen-Egoshooter „Counterstr­ike“Schlachten gewinnen: Diese Arten von Spielen sind laut Mader jene mit dem größten Suchtpoten­zial. „Es wird in Gruppen gespielt, wodurch der Zwang besteht, nicht aufhören zu können.“Doch Mader hat auch Patienten, die „Minecraft“am Handy exzessiv spielen. „Wir sollten dieses neue Krankheits­bild ohnehin breiter verstehen“, sagt Fuchs – und spricht allgemeine­r von einem problemati­schen Internetge­brauch. Sind es bei den Buben vor allem Online-Games, die zum Suchtverha­lten führen, verlieren sich Mädchen vor alperte in sozialen Netzwerken oder Messengern. „Prinzipiel­l ist das Thema Internetsu­cht aber bei beiden Geschlecht­ern gleich stark“, sagt Fuchs.

In einer aktuellen Studie konnte der Psychiater außerdem zeigen, dass es meist „eine Geschichte hinter der Geschichte“, gibt: Jugendlich­e, die an psychische­n Erkrankung­en leiden, haben ein beinahe achtfach erhöhtes Risiko, eine Internetsu­cht zu entwickeln. „Hinter der Internetsu­cht kann bei Jugendlich­en eine Depression oder eine Angststöru­ng stecken.“Die Online-Welt biete einen Fluchtort, wo sich Jugendliab­er

che eine Lösung erhoffen. „Diese Krankheite­n dahinter dürfen nicht übersehen werden“, sagt Fuchs. Denn werden diese behandelt, löse sich auch oft das Suchtprobl­em.

Auflösen könne sich auch das Problem des exzessiven Spielens ganz von selbst: „Nicht jeder Jugendlich­e, der viel zockt, ist krank“, sagt Mader. Auch Fuchs unterstrei­cht: „Spielen kann ein intensives Hobby sein, ohne dass der Jugendlich­e die Kontrolle über sein Leben verliert.“Studien hätten gezeigt, dass sich die zu Beginn intensive Faszinatio­n für ein Spiel bei der überwiegen­den Mehrheit totläuft – die Experten raten Eltern daher zu Gelassenhe­it. Ein echtes Suchtprobl­em betreffe nur einen kleinen Teil der Videospiel­er. Dennoch: Eltern sollten mit ihren Kindern verbindlic­he Regeln für ihr OnlineVerh­alten vereinbare­n. „Denn gibt es gar keine Regeln, kann das das Suchtverha­lten begünstige­n“, sagt Fuchs.

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FOTOLIA Wer viel spielt, ist nicht automatisc­h krank, unterstrei­chen Experten
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