Kleine Zeitung Kaernten

Die Schattense­ite der Freizügigk­eit

- Erwin Zankel über die Kehrseiten der Personenfr­eizügigkei­t in der EU Erwin Zankel war Chefredakt­eur der Kleinen Zeitung

An einem der Grundpfeil­er der EU zu rütteln, gilt als Sakrileg. Als Heinz-Christian Strache jüngst die Personenfr­eizügigkei­t zur Diskussion stellen wollte, löste er einen Sturm der Entrüstung aus, der ihn bald zum Schweigen brachte. Trotzdem sollte man auch über die Kehrseite dieser Grundfreih­eit reden dürfen.

Das Recht, sich in überall in der EU niederzula­ssen und zu arbeiten, setzt voraus, dass es weitgehend gleiche Einkommen und Lebenshalt­ungskosten gibt. Das war in der Gründungsp­hase der Fall. Auch die Nachbarn waren willkommen. Schon lange vor dem EU-Beitritt arbeiteten Österreich­er in Deutschlan­d und Deutsche in Österreich. Mit der Osterweite­rung änderten sich die Verhältnis­se. In den neuen EU-Ländern waren und sind die Einkommen viel niedriger. Es wiederholt­e sich, was sich zuvor nach der Wiedervere­inigung Deutschlan­ds ereignete. Die Jungen wanderten in den Westen ab, die Alten blieben im Osten zurück. Staaten wie Bulgarien, Rumänien oder Ungarn haben bis zu einem Fünftel ihrer Bevölkerun­g verloren. Österreich wurde nicht nur Zielland, sondern auch Pendlerpar­adies. Zehntausen­de Arbeitskrä­fte kommen Tag für Tag über die Grenze oder bleiben für Wochen und Monate hier.

Ob es gescheit sei, wenn alle slowakisch­en Pflegerinn­en bei uns arbeiten, fragte Strache. Vornehmer formuliert­e es Christian Kern, der den „Braindrain“beklagte, der im Osten ganze Regionen entvölkert. Er wollte radikal gegensteue­rn.

In seinem Plan A kündigte Ex-Kanzler Christian Kern an, das Instrument der Arbeitsmar­ktprüfung wieder einzuführe­n, wonach eine freie Stelle von einem EU-Ausländer nur besetzt werden kann, wenn sich kein geeigneter Arbeitslos­er im Inland findet.

„Staaten wie Bulgarien oder Ungarn haben bis zu einem Fünftel ihrer Bevölkerun­g verloren. Österreich wurde auch Pendlerpar­adies.“

Es blieb beim Plan. Die Probleme mit der Freizügigk­eit aber bleiben. Nicht nur mit zugezogene­n oder bloß entsandten Arbeitskrä­ften. Auch mit den Angehörige­n daheim, ob etwa die Kinderbeih­ilfe auf das dortige Niveau gesenkt werden darf. Darüber darf man reden. Nicht alles, was die EU vorschreib­t, ist absolut weise.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria