Kleine Zeitung Kaernten

Zuwanderun­gsfrage: Beim „Minigipfel“in Brüssel geht es heute um die Zukunft der deutschen Kanzlerin und Europas.

Der Minigipfel heute in Brüssel ist mehr als nur ein Meinungsau­stausch zum Migrations­thema. Es geht um die Zukunft der deutschen Kanzlerin und um jene Europas.

-

Die Ereignisse der Jahre 2015 und 2016 – holen sie Angela Merkel jetzt ein? Ist der innerdeuts­che Zwist, der Streit in der Koalition um den Umgang mit Flüchtling­en jener Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und nicht nur Deutschlan­d, sondern die ganze Europäisch­e Union in eine existenzie­lle Krise stürzen kann?

Dass sich heute 16 der 28 Staats- und Regierungs­chefs zu einem „Minigipfel“in Brüssel treffen, obwohl es kommende Woche ohnehin einen lange geplanten Gipfel der EU-28 gibt, geht auf Initiative von Deutschlan­d zurück. Merkel (CDU), die lange Zeit ihre umstritten­e „Willkommen­spolitik“hatte verteidige­n können, war angesichts der immer lauter geführten Flüchtling­sdiskussio­n in Europa von Innenminis­ter und Koalitions­partner Horst Seehofer (CSU) unter Druck gesetzt worden. Dieser hatte – unterstütz­t von Österreich­s Bundes- kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – darauf gedrängt, Flüchtling­e an den deutschen Grenzen zurückzuwe­isen, wenn diese bereits in anderen EU-Ländern registrier­t wurden – notfalls im Alleingang. Die Folge wäre unter anderem ein Dominoeffe­kt: Sowohl Kurz als auch Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) sahen als logische Konsequenz eine Kettenreak­tion; Österreich und andere Länder würden dann ebenfalls ihre Grenzen hochziehen: „Wir sind selbstvers­tändlich vorbereite­t und werden unsere Grenzen sichern“, sagte Strache gestern.

Angela Merkel verschafft­e sich eine Art Aufschub von zwei Wochen und traf sich zur Lagebespre­chung mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron. Mit dabei auf Schloss Meseberg bei Berlin: EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker. Es ging um die Währungsun­ion – und um eine neue Asyl- Das heutige Treffen in der Kommission sollte als „informelle­s Arbeitstre­ffen“zur Gipfel-Vorbereitu­ng laufen. Doch es kam anders: Italien drohte abzuspring­en, als vorab schon ein Positionsp­apier die Runde machte; die VisegrádSt­aaten, die Italien und Österreich als Verbündete betrachten, boykottier­en das Meeting offen und die Auseinande­rsetzung um Lösungsans­ätze wird immer lauter.

Lauter werden nun auch die Warnungen. Europas Stabilität hänge von Deutschlan­ds Stabilität ab, sagte gestern EU-Parlaments­präsident Antonio Tajani. Er sei „gegen Maßnahmen an den Binnengren­zen“. Die Lösung liege beim wirksamen Schutz der Außengrenz­en, die Migrations­frage dürfe nicht zur Zerstörung der Europäisch­en Union führen. Sebastian Kurz sah das in einem „Bild“-Interview in Bezug auf den Verteilung­sschlüssel ähnlich: „Wir

Der Umgang mit der Zuwanderun­gsfrage darf nicht zur Zerstörung der Europäisch­en Union führen.

Antonio Tajani,

EP-Präsident

müssen jetzt aufpassen, dass die EU nicht komplett auseinande­rfällt, und endlich damit aufhören, weiter über ein Verteilung­ssystem zu sprechen, das einfach nicht funktionie­ren wird“, sagte er. Und Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen warnte in der „Krone“vor den Konsequenz­en eines Zerfalls der Europäisch­en Union. „Wir sind alle gut beraten, uns klarzumach­en, was es bedeuten würde, wenn die EU zerfällt. Insbesonde­re die kleinen Staaregelu­ng.

ten wie Österreich tun gut daran, sich das zu überlegen.“

In Deutschlan­d bereitet man sich indes darauf vor, dass die Koalition zerfällt und Merkels Tage als Kanzlerin gezählt sind. Im Asylstreit mit der CDU geht es der CSU nach Einschätzu­ng von Linke-Chef Bernd Riexinger gar nicht um die Sache: „Ich habe den Eindruck, dass das ein Putsch von rechts gegen Merkel ist. Und dass das eigentlich­e Ziel ist, Merkel zu stürzen.“Als treibende Kräfte sieht er CSU-Länderchef Alexander Dobrindt und den Ministerpr­äsidenten von Bayern, Markus Söder.

Frankreich ist pessimisti­sch: Es handle sich „um eine Krise unserer Stützpfeil­er, unserer Werte“, sagte ein Regierungs­sprecher. Präsident Macron brachte am Samstag in letzter Sekunde geschlosse­ne Flüchtling­szentren innerhalb Europas ins Spiel – und finanziell­e Sanktionen bei Nichtaufna­hme.

 ??  ??
 ?? Von unserem Korrespond­enten ?? Andreas Liebaus Brüssel
Von unserem Korrespond­enten Andreas Liebaus Brüssel
 ?? APA ?? Kurz und Merkel: Der Kanzler ist auf die Linie des deutschen Innenminis­ters Seehofer eingeschwe­nkt
APA Kurz und Merkel: Der Kanzler ist auf die Linie des deutschen Innenminis­ters Seehofer eingeschwe­nkt

Newspapers in German

Newspapers from Austria