Kleine Zeitung Kaernten

„Hier ist es sicher, das weiß ich zu schätzen“

REPORTAGE. Die Frage nach den „Fluchtursa­chen“stellt sich auch in Afrika. Ein Besuch der Nachbarlän­der Burundi und Ruanda macht deutlich, wann und warum Menschen fliehen und welche Rolle Politik dabei spielt.

- Von Christina Traar aus Bujumbura

Wer auf den staubigen Roterde-Straßen durch Burundi und Ruanda fährt, dem offenbaren sich auf den ersten Blick kaum Unterschie­de zwischen den beiden ostafrikan­ischen Ländern. Die zahlreiche­n Hügel präsentier­en sich in saftigem Grün, auf den Feldern tanzen Tee- und Reispflanz­en im Wind und unzählige Bananenbäu­me säumen die Wege. Und doch könnten die Länder, die zusammen knapp mehr als halb so groß wie Österreich sind, unterschie­dlicher nicht sein. Während Burundi das fünftärmst­e Land der Welt ist, aus dem bereits rund eine halbe Million Menschen geflohen sind, gilt Ruanda als Vorzeigela­nd Afrikas. Wie sehr die Führung eines Landes über dessen Gedeih und Verderb entscheide­t, lässt sich kaum besser illustrier­en als mit diesen beiden Nachbarlän­dern.

Erst vor wenigen Wochen fand in Burundi ein Referendum statt, das Langzeit-Präsident Pierre Nkurunziza erweiterte Machtbefug­nisse und die Herrschaft bis 2034 sicherte. wurden eingeschüc­htert, verhaftet oder getötet. „Der Präsident kümmert sich nicht um die Leute, er kümmert sich um seine Leute“, erzählt ein Burunder in Gitega, während er sich nervös umsieht. „Die Wände hier haben Ohren.“Weil ein stabiler Partner in der Regierung fehlt, halten sich auch internatio­nale Hilfsgelde­r in Grenzen. Dabei ist die Arbeit der NGOs bitter nötig. Drei Viertel der Bevölkerun­g leben unter der Armutsgren­ze, jedes zweite Kind leidet an den Folgen chronische­r Unterernäh­rung.

Diese Folgen offenbaren sich bei einem Besuch des Waisenhaus­es in Gitega. Mit finanziell­er Unterstütz­ung von Caritas Österreich werden hier Waisen und stark unterernäh­rte Kinder versorgt. Es sind die 320 Kinder von Godelive Miburo, einer stämmigen Ordensschw­ester, deren Lächeln oft traurig wirkt. Godelive, die das Heim vor 19 Jahren eröffnet hat, zeigt auf ein scheinbar vierjährig­es Kind. „Dieser Bub ist zwölf Jahre alt und wiegt vier Kilo. Er kann gehen oder sprechen, er kann nicht einmal alleine essen.“Bei der Antwort auf die Frage, ob die Regierung ihr Haus unterstütz­t, bebt Godelives Stimme. „Sie schicken die Kinder zu uns, Geld für die Versorgung bekommen wir aber nicht.“Allein die Ernährung der Kinder kostet 4000 Euro im Monat. „Das ist die Tragödie unseres Landes“, sagt sie. „Einige wenige werden reicher, während die Armen ärmer werden.“

Zur instabilen politische­n Lage kommen weitere Probleme hinzu. Der kleine Staat ist – wie Nachbar Ruanda – dicht besiedelt, die Fertilität­srate liegt bei sechs Kindern pro Frau. Der Boden wird zu gleichen Teilen vererbt, was die Felder kleiner und den Anbau schwierige­r macht. Die Folge: Eltern können ihre Kinder, die als Statussymb­ol gelten, nicht ernähren.

Ein Problem, mit dem Jeannette Hakizimana täglich kämpft. Die 36-Jährige lebt in Songa bei Gitega. Hier teilt sie sich eine weniger als 20 Quadratmet­er große, dunkle Lehmhütte mit ihrem Mann und sieGegner ben Kindern. „Das Leben ist nicht einfach“, erzählt sie. Sie muss Miete zahlen für das Haus, das nach Erde und verbrannte­m Holz riecht. Ihr eigenes musste sie verkaufen. „Ich brauchte einen Kaiserschn­itt und musste das Krankenhau­s bezahlen.“Ihr Mann verdient weniger als fünf Euro im Monat, es bleibt kaum Geld fürs Essen. „Frühstück gibt es nie, Mittagesse­n selten. Am Abend muss etwas auf den Tisch – auch, wenn es wenig ist.“Drei ihrer Kinder sind Pflegekind­er, die sie aus dem Waisenhaus aufgenomme­n hat. Ein Mal pro Woche bringen Mitarbeite­r Mais und Bohnen. Warum hat sie zusätzlich­e Kinder aufgenomme­n? „Aus Nächstenli­ebe. Was man hat, das soll man teilen. Auch wenn es wenig zu teilen gibt.“Hunger und das politische Klima veranlasse­n viele Burunder dazu, über die Grenze nach Ruanda zu flüchten. Das Land, das erst vor 24 Jahren von einem Genozid erschütter­t wurde, bei dem 800.000 Menschen getötet wurden, setzt heute auf Versöhnich­t

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Im Camp Mahama in Ruanda leben 57.000 Menschen, die aus Burundi in

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