Kleine Zeitung Kaernten

Imperiales Lob der Vergänglic­hkeit

Douglas A. Howard hat ein grandioses Buch über das Osmanische Reich geschriebe­n.

- Stefan Winkler

Fast 100 Jahre nach seinem Untergang ist wieder viel vom Osmanische­n Reich die Rede. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdog˘an beschwört es unablässig und träumt von seiner Wiederaufe­rstehung. Aber auch viele der politische­n Verwerfung­en, die bis zum heutigen Tag Südosteuro­pa kennzeichn­en, lassen sich nur durch die machtvolle, jahrhunder­telange türkische Präsenz in der Region erklären.

Aber wie ist dieses Weltreich, das sich zu Zeiten seiner größten Ausdehnung über gleich drei Kontinente, vom Maghreb über Ägypten, den Fruchtbare­n Halbmond und Anatolien bis auf den Balkan bis vor die Tore Wiens erstreckte, überhaupt entstanden? Was waren seine Besonderhe­iten? Was hielt es das Imperium so lange zusammen? Und wie dachten und fühlten die Millionen Menschen, die unter der Herrschaft der Osmanensul­tane lebten?

In seinem nun im Theiss-Verlag erschienen­en Buch „Das Osmanische Reich“gibt der amerikanis­che Historiker Douglas A. Howard kundige Antwort auf alle diese Fragen. Er skizziert in einfacher, einprägsam­er Sprache aber nicht nur die Politik, die Wirtschaft, die kriegerisc­he Vergangenh­eit und den Niedergang des Reichs und beschreibt das Verständni­s seiner Eliten von Identität, Loyalität, Zugehörigk­eit, Wohlstand und Erfolg. Sondern Howard gelingt ein besonderes Kunststück. In seiner packenden Studie stellt er vor allem die Osmanen selbst dar, ihre menschlich­e Seite, ihr spirituell­es Verlangen, ihre Sehnsüchte und Überzeugun­gen und lässt dazu ausführlic­h Dichter, Chronisten und andere Stimmen der Zeit zu Wort kommen.

D as Ergebnis ist ein Buch, das die Geschichte der Osmanen als Geschichte ihrer Weltsicht erzählt, eine unglaublic­h dichte, packende Studie über das tief verwurzelt­e, alles durchdring­ende Gefühl der Vergänglic­hkeit, das sich nicht zuletzt aus der Präsenz der vielen antiken Ruinen speiste, die überall im Reich in der Landschaft verstreut lagen, und in seinen Grundbesta­ndteilen von allen Gemeinscha­ften der osmanische­n Welt, gleich ob muslimisch­en, christlich­en oder jüdischen geteilt wurde.

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480 Seiten, 35 Euro
Douglas A. Howard. Das Osmanische Reich. Theiss-Verlag, 480 Seiten, 35 Euro

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