Imperiales Lob der Vergänglichkeit
Douglas A. Howard hat ein grandioses Buch über das Osmanische Reich geschrieben.
Fast 100 Jahre nach seinem Untergang ist wieder viel vom Osmanischen Reich die Rede. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdog˘an beschwört es unablässig und träumt von seiner Wiederauferstehung. Aber auch viele der politischen Verwerfungen, die bis zum heutigen Tag Südosteuropa kennzeichnen, lassen sich nur durch die machtvolle, jahrhundertelange türkische Präsenz in der Region erklären.
Aber wie ist dieses Weltreich, das sich zu Zeiten seiner größten Ausdehnung über gleich drei Kontinente, vom Maghreb über Ägypten, den Fruchtbaren Halbmond und Anatolien bis auf den Balkan bis vor die Tore Wiens erstreckte, überhaupt entstanden? Was waren seine Besonderheiten? Was hielt es das Imperium so lange zusammen? Und wie dachten und fühlten die Millionen Menschen, die unter der Herrschaft der Osmanensultane lebten?
In seinem nun im Theiss-Verlag erschienenen Buch „Das Osmanische Reich“gibt der amerikanische Historiker Douglas A. Howard kundige Antwort auf alle diese Fragen. Er skizziert in einfacher, einprägsamer Sprache aber nicht nur die Politik, die Wirtschaft, die kriegerische Vergangenheit und den Niedergang des Reichs und beschreibt das Verständnis seiner Eliten von Identität, Loyalität, Zugehörigkeit, Wohlstand und Erfolg. Sondern Howard gelingt ein besonderes Kunststück. In seiner packenden Studie stellt er vor allem die Osmanen selbst dar, ihre menschliche Seite, ihr spirituelles Verlangen, ihre Sehnsüchte und Überzeugungen und lässt dazu ausführlich Dichter, Chronisten und andere Stimmen der Zeit zu Wort kommen.
D as Ergebnis ist ein Buch, das die Geschichte der Osmanen als Geschichte ihrer Weltsicht erzählt, eine unglaublich dichte, packende Studie über das tief verwurzelte, alles durchdringende Gefühl der Vergänglichkeit, das sich nicht zuletzt aus der Präsenz der vielen antiken Ruinen speiste, die überall im Reich in der Landschaft verstreut lagen, und in seinen Grundbestandteilen von allen Gemeinschaften der osmanischen Welt, gleich ob muslimischen, christlichen oder jüdischen geteilt wurde.