Kleine Zeitung Kaernten

„Unser Kompass ist nach Westen ausgericht­et“

Die Ankündigun­g der EU, Mitte 2019 konkrete Beitrittsv­erhandlung­en mit Albanien und Mazedonien zu starten, befeuert die Zuversicht in der Region.

- REPORTAGE. Von Klaus Höfler, Tirana

Die gestrige Nachricht aus Luxemburg über die Aufnahme von EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit Albanien ab Juni 2019 hat ein seltenes Lächeln in Edi Ramas Gesicht gezimmert. Der ausgebilde­te und noch immer praktizier­ende Maler, ehemalige Basketball-Nationalsp­ieler, spätere Bürgermeis­ter von Tirana und nunmehr seit fast fünf Jahren als Ministerpr­äsident Albaniens amtierende Zwei-Meter-Hüne kokettiert im groben Politallta­g des Westbalkan­staats bisweilen gekonnt mit seinem Talent für grimmiges Mienenspie­l. Seit gestern hat er dafür zumindest einen Grund weniger.

Der Beitritt zur Europäisch­en Union steht seit Jahren an der Spitze der politische­n und wirtschaft­lichen Agenda Albaniens. „Für uns geht die Sonne im Westen auf“, sagt Rama, der sich selbst in diesem Zusammenha­ng gerne als „tragischen Optimisten“bezeichnet. „Unser Kompass ist nach Westen ausgericht­et, wir sind ein Teil der europäisch­en DNA und europäisch­er als so mancher EUStaat“, formuliert es Finanzund Wirtschaft­sminister Arben Ahmetaj. Stolz verweist er auf ein Konjunktur­plus von zuletzt 3,8 Prozent und für heuer angepeilte 4,2 Prozent. Dem gegenüber steht allerdings ein Durchschni­ttslohn von gerade einmal 400 Euro, ein Mindestloh­n von 200 Euro und eine Arbeitslos­enrate von 13,7 Prozent.

„Ja, es gibt noch immer viel zu tun, ja, wir sind noch nicht so weit, ein fertiges EU-Mitglied zu sein“, gab Regierungs­chef Rama Tage vor der jüngsten EU-Entscheidu­ng im Gespräch mit österreich­ischen Journalist­en in Tirana zu. „Aber die Beitrittsv­erhandlung­en sind da, um uns zu verbessern.“Für die seit Jahren praktizier­te Hinhalteta­ktik der EU fehle ihm jedenfalls jegliches Verständni­s. Bereits 2014 wurde Albanien der Kandidaten­status verliehen, 2016 eine unter anderem von der österreich­ischen Agentur für Entwicklun­gszusammen­arbeit (ADA) begleitete Justizrefo­rm samt strengen Kontrollen von Richtern und Staatsanwä­lten gestartet. Trotzdem kamen immer wieder Einwände, bis zuletzt vor allem aus Frankreich, Dänemark und den Niederland­en, die schließlic­h auch weiter Reformbeob­achtungen durch EU-Monitoring­gruppen als einschränk­ende Bedingung in die gestrige Entscheidu­ng hineinrekl­amierten.

„Der Aufnahmepr­ozess wurde immer strenger, aber nicht fairer“, polterte Rama schon vorab mit routiniert finsterer Miene. „Europa zu retten, inwenige

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Albanien macht sich EUfit: Der einst größte Kreisverke­hr des Balkans am Skanderber­gplatz in Tirana wurde zur Fußgängerz­one
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APA, GETTYIMAGE­S Ministerpr­äsident Edi Rama: „Für uns geht die Sonne im Westen auf“

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