Matura mit Problemstellen
Die Zentralmatura soll Ergebnisse vergleichbar machen – das ist ihre Stärke und ihr Fluch. Ein Nachjustieren am System ist sinnvoll, sollte aber frei von ideologischem Antrieb sein.
D er Wirbel stellt sich jedes Jahr aufs Neue ein. Seit ihrer sukzessiven Einführung vergeht kein Frühsommer ohne Diskussionen über Für und Wider der standardisierten kompetenzorientierten Reifeprüfung, wie die Zentralmatura im offiziellen Amtsdeutsch heißt. Die Emotionen sind gewaltig und befeuern hartnäckig die immer wieder strapazierte Frage: Befördert das neue System untragbare Ungerechtigkeiten oder ist es der Inbegriff transparenter Fairness?
Vermutlich trifft beides nicht zu. Doch deutlich geworden ist aus den Debatten: Der Wesenskern der Zentralmatura, Leistungen und Ergebnisse vergleichbar zu machen, ist in selbem Maße ihre Stärke wie ihr Fluch. Denn die Vergleichbarkeit betrifft eben nicht nur Schulstandorte, Schultypen und Bundesländer, sie umfasst auch die einzelnen Maturajahrgänge. Ergebnisschwankungen von einem Jahr aufs nächste, die bisher an Schulen nur wenige aufregten, sind nun plötzlich als harte, bundesweite Prozentwerte abrufbar.
So ist es nicht verwunderlich, dass der Unmut groß ist, wenn die Fünfer-Quote in Mathematik plötzlich auf den zweifachen Wert explodiert. Steigerungen dieses Ausmaßes lassen sich nicht allein mit leistungsspezifischen Unterschieden der Schülerjahrgänge erklären. Wurden den Maturanten das eine Mal also Fallen gestellt, während man sie das andere Mal taxfrei durchgewinkt hat?
Ein Vorwurf, der so bestimmt nicht verfängt. Ein Blick auf die Problemfelder, die die neue Matura mit sich gebracht hat, ist allerdings angebracht. Tatsächlich stellt sich die Frage, wie sinnstiftend es ist, Schüler bei Mathematik-Klausuren über zunehmend lange und teils umständlich formulierte Textangaben stolpern zu lassen. Es stellt sich die Frage, ob es den Ideen einer Reifeprüfung gerecht wird, wenn Flüchtigkeitsfehler in Rechenaufgaben zum vollständigen Punkteverlust führen können. Es stellt sich die Frage, ob es der Weisheit letzter Schluss sein kann, wenn solche Schlampigkeitsfehler eine ganze Klausur kippen lassen können, weil der zweite (umfassendere) Teil der Prüfung nur gewertet wird, wenn der erste positiv abgeschlossen ist.
Das alles eignet sich nicht als Anlass, die Fundamente der Zentralmatura radikal umzusäbeln. Doch wenn sich die Regierung daran macht, die brüchigen Stellen des hierzulande noch jungen Systems zu untersuchen und gegebenenfalls zu verstärken oder auszutauschen, ist das begrüßenswert. Voraussetzung für ein Gelingen wäre ein pragmatischer Zugang ohne ideologische Zwangsreflexe. Weltbildgetriebenen Reformeifer hat das leidgeplagte Schulsystem schon zur Genüge über S sich ergehen lassen. teht am Ende des Prozesses tatsächlich eine praxisnahe Erneuerung, wäre damit zumindest zweierlei geschafft: Die Schüler könnten sich auf noch fairere Bedingungen einstellen. Und der Pegel der alljährlichen Erregung würde sich wieder auf ein Maß einschwingen, das der Angelegenheit angemessen und förderlich ist.