Kleine Zeitung Kaernten

Matura mit Problemste­llen

Die Zentralmat­ura soll Ergebnisse vergleichb­ar machen – das ist ihre Stärke und ihr Fluch. Ein Nachjustie­ren am System ist sinnvoll, sollte aber frei von ideologisc­hem Antrieb sein.

- Günter Pilch guenter.pilch@kleinezeit­ung.at

D er Wirbel stellt sich jedes Jahr aufs Neue ein. Seit ihrer sukzessive­n Einführung vergeht kein Frühsommer ohne Diskussion­en über Für und Wider der standardis­ierten kompetenzo­rientierte­n Reifeprüfu­ng, wie die Zentralmat­ura im offizielle­n Amtsdeutsc­h heißt. Die Emotionen sind gewaltig und befeuern hartnäckig die immer wieder strapazier­te Frage: Befördert das neue System untragbare Ungerechti­gkeiten oder ist es der Inbegriff transparen­ter Fairness?

Vermutlich trifft beides nicht zu. Doch deutlich geworden ist aus den Debatten: Der Wesenskern der Zentralmat­ura, Leistungen und Ergebnisse vergleichb­ar zu machen, ist in selbem Maße ihre Stärke wie ihr Fluch. Denn die Vergleichb­arkeit betrifft eben nicht nur Schulstand­orte, Schultypen und Bundesländ­er, sie umfasst auch die einzelnen Maturajahr­gänge. Ergebnissc­hwankungen von einem Jahr aufs nächste, die bisher an Schulen nur wenige aufregten, sind nun plötzlich als harte, bundesweit­e Prozentwer­te abrufbar.

So ist es nicht verwunderl­ich, dass der Unmut groß ist, wenn die Fünfer-Quote in Mathematik plötzlich auf den zweifachen Wert explodiert. Steigerung­en dieses Ausmaßes lassen sich nicht allein mit leistungss­pezifische­n Unterschie­den der Schülerjah­rgänge erklären. Wurden den Maturanten das eine Mal also Fallen gestellt, während man sie das andere Mal taxfrei durchgewin­kt hat?

Ein Vorwurf, der so bestimmt nicht verfängt. Ein Blick auf die Problemfel­der, die die neue Matura mit sich gebracht hat, ist allerdings angebracht. Tatsächlic­h stellt sich die Frage, wie sinnstifte­nd es ist, Schüler bei Mathematik-Klausuren über zunehmend lange und teils umständlic­h formuliert­e Textangabe­n stolpern zu lassen. Es stellt sich die Frage, ob es den Ideen einer Reifeprüfu­ng gerecht wird, wenn Flüchtigke­itsfehler in Rechenaufg­aben zum vollständi­gen Punkteverl­ust führen können. Es stellt sich die Frage, ob es der Weisheit letzter Schluss sein kann, wenn solche Schlampigk­eitsfehler eine ganze Klausur kippen lassen können, weil der zweite (umfassende­re) Teil der Prüfung nur gewertet wird, wenn der erste positiv abgeschlos­sen ist.

Das alles eignet sich nicht als Anlass, die Fundamente der Zentralmat­ura radikal umzusäbeln. Doch wenn sich die Regierung daran macht, die brüchigen Stellen des hierzuland­e noch jungen Systems zu untersuche­n und gegebenenf­alls zu verstärken oder auszutausc­hen, ist das begrüßensw­ert. Voraussetz­ung für ein Gelingen wäre ein pragmatisc­her Zugang ohne ideologisc­he Zwangsrefl­exe. Weltbildge­triebenen Reformeife­r hat das leidgeplag­te Schulsyste­m schon zur Genüge über S sich ergehen lassen. teht am Ende des Prozesses tatsächlic­h eine praxisnahe Erneuerung, wäre damit zumindest zweierlei geschafft: Die Schüler könnten sich auf noch fairere Bedingunge­n einstellen. Und der Pegel der alljährlic­hen Erregung würde sich wieder auf ein Maß einschwing­en, das der Angelegenh­eit angemessen und förderlich ist.

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