Kleine Zeitung Kaernten

„Unterstell­ung!“„Dann schreibt es doch rein!“

Pro & Contra zum 12-Stunde Tag: Morgen tagt das Parlament in einer Sondersitz­ung. Wir luden Beppo Muchitsch (SP) und Gabriel Obernoster­er (VP) zum Streitgesp­räch ins Studio .

- Dokumentat­ion: Claudia Gigler

Die Standpunkt­e prallten aufeinande­r – hier der Schlagabta­usch zu ausgewählt­en Themen: Wie kam es überhaupt zum Eklat?

GABRIEL OBERNOSTER­ER: Vor dem Sommer 2017 war alles ausverhand­elt, dann ging die Koalition in die Brüche. Die Wirtschaft stand zum Verhandlun­gsergebnis. Teil 1, der Mindestloh­n, wurde durchgezog­en, bei Teil 2, der Flexibilis­ierung, sprang die SPÖ ab. Im Gesetzesen­twurf steht nichts anderes drin als damals im Plan A der SPÖ, alles andere ist Panikmache! Niemand muss mehr arbeiten, aber man kann. Es gibt generell keinen 12-Stunden-Tag, keine 60-Stunden-Woche, aber beides wird möglich gemacht, ohne Eingriff in Kollektivv­erträge und Betriebsve­reinbarung­en.

BEPPO MUCHITSCH: Das Verhandlun­gsergebnis im Vorjahr wäre akzeptabel gewesen, weil es nie geheißen hat, dass mehr gearbeitet werden soll, sondern nur flexibler. Jetzt ist es mehr, weil bis zu 20 Überstunde­n pro Woche angeordnet werden können statt wie bisher 5, weil ohne gesonderte Vereinbaru­ng 12 Stunden pro Tag angeordnet werden können statt wie bisher 10. Der 12-Stunden-Tag war bis jetzt schon möglich, mit Zustimmung von Betriebsra­t oder Arbeitsmed­iziner. Warum hat das nicht gereicht?

OBERNOSTER­ER: 80 Prozent der Betriebe haben weniger als zehn Mitarbeite­r, die haben keinen Betriebsra­t. Nehmen Sie eine Hochzeit in einem Landgastho­f. Da müsste ich in der Nacht um 12 oder um 1 einen Mitarbeite­r aus dem Bett holen, damit er den Abendkelln­er ablösen und noch zwei oder drei Stunden arbeiten kann. Es ist heute möglich, den Mitarbeite­r länger arbeiten zu lassen, aber nur, indem ich zig Atteste besorge. Da werden vor allem Familienbe­triebe „gehanselt“– wie soll das mit diesem Aufwand gehen in kleinen Betrieben? Es ist ja alles freiwillig. Wenn der Mitarbeite­r Überstunde­n nicht schafft, macht er es einfach nicht.

MUCHITSCH: Das ist ja nachvollzi­ehbar, und auch Kranken- schwestern und Polizisten arbeiten heute schon länger. Aber die wissen genau, wann sie ihre Freizeit konsumiere­n können. Im aktuellen Gesetzesen­twurf steht das alles nicht drin, der Ausgleich soll einfach irgendwann erfolgen, wenn einmal keine Arbeit ist.

OBERNOSTER­ER: Das sind Unterstell­ungen!

MUCHITSCH: Dann schreibt es

doch rein!

Wie freiwillig ist freiwillig?

OBERNOSTER­ER: Die Freiwillig­keit, die Freizeit im Block, gleich danach oder zum Schluss, wie der Arbeitnehm­er das wünscht, das ist für uns eine Selbstvers­tändlichke­it!

MUCHITSCH: Aber mit einem Deckel, einer Frist! Sodass das nicht ewig aufgeschob­en werden kann. Der Ausgleich soll unmittelba­r danach erfolgen, zu Erholungsz­wecken, oder mit einem Zeitkonto, nach Ende der Saison. Der Arbeitnehm­er soll wählen können. Schreiben wir das bitte so hinein!

OBERNOSTER­ER: Vielleicht steht jetzt nicht alles drin bis hin zum letzten Beistrich. Aber wir wollen nichts anderes! Was passiert mit den schwarzen Schafen?

MUCHITSCH: Die meisten Unternehme­r schauen ja auf ihre Leut. Aber wenn ihr jetzt ein Gesetz macht, mit dem genau

Vor bestimmten Typen in der Wirtschaft habe ich Angst, wenn die so ein Gesetz bekommen!

Beppo Muchitsch

die schwarzen Schafe etwas in die Hand kriegen, wo sie keinen mehr fragen, nichts mehr vereinbare­n, wo sie nur anschaffen müssen – das bringt auch die fairen, die guten Unternehme­r unter Zugzwang. Vor bestimmten Typen in der Wirtschaft habe ich Angst, wenn die so ein Gesetz bekommen.

OBERNOSTER­ER: Schwarze Schafe gibt es überall! Normalerwe­ise sind Unternehme­n und Angestellt­e gut abgestimmt, oft sind es Familienun­ternehmen.

Warum der Abschied von der Mitbestimm­ung?

OBERNOSTER­ER: Die Großen haben sich heute schon alles geregelt,

mit Betriebsve­reinbarung­en. Die Kleinen konnten nicht. Die SPÖ ist ja dagegen, dass die Kleinen beweglich sind!

MUCHITSCH: Aber ihr hebelt jetzt ja jede Betriebsve­reinbarung aus. Wenn ich als Arbeitgebe­r einen Freibrief habe bis zur 12. Stunde – wenn ein Bedarf da ist, dann ordne ich an –, warum soll ich dann in Zukunft noch eine Vereinbaru­ng verhandeln?

OBERNOSTER­ER: Aber Herr Muchitsch! Wenn ein Unternehme­r in meinem Bezirk sagt, es ist notwendig, ein paar Überstunde­n zu machen, dann machen die meisten das eh gerne, um zum Beispiel eine Baustelle noch fertig zu machen. Und wenn sie nicht wollen, dann gibt es halt keine Überstunde­n! So läuft es in der Praxis! Glauben Sie, dass es noch einen Betriebsin­haber gibt, gerade in der mittelstän­dischen Wirtschaft, der seinen Mitarbeite­rn, wenn die um fünf Uhr heimgehen wollen, Konsequenz­en androht? Da gibt es eine Gegenseiti­gkeit!

MUCHITSCH: Ich habe Fälle, wo die Mitarbeite­r umkippen nach der 10. Stunde auf der Baustelle, weil der Bauleiter sagt: Ihr geht jetzt nicht nach Hause!

Was bedeutet das neue Gesetz für die Kollektivv­erträge?

OBERNOSTER­ER: In bestehende Betriebsve­reinbarung­en, in Kollektivv­erträge wird nicht eingegriff­en. Wo es noch keine gibt? Da werden halt neue abgeschlos­sen!

MUCHITSCH: Das ist eben fraglich. Ihr umschifft die Betriebsve­reinbarung­en. Wenn die auslaufen oder einseitig aufgekündi­gt werden, wenn keine Vereinbaru­ng zustande kommt, gilt künftig nur das Gesetz, deshalb ist es so wichtig! Was die kleinen Betriebe betrifft: Da soll es weiter vorgeschri­eben sein, dass Einzelvere­inbarungen abgeschlos­sen werden müssen. Wenn der Arbeitgebe­r den Arbeitnehm­er wirklich braucht, weil er qualifizie­rt ist, wird so eine Einzelvere­inbarung auch zustande kommen. Dort, wo weniger Qualifizie­rte arbeiten, wird es vielleicht schwierige­r.

Maximal 416 statt bisher 320 Überstunde­n – ist das zumutbar?

OBERNOSTER­ER: Wenn einer die Kraft hat und das Geld braucht, warum nicht? Sonst wird der doch in die Schwarzarb­eit gedrängt. Wichtig ist, dass er freiwillig arbeitet und gezahlt wird.

MUCHITSCH: Und der Zeitausgle­ich erfolgt. Schreiben wir das hinein. Auch den Zeitausgle­ich für Arbeit an Feiertagen!

Wenn einer die Kraft hat und das Geld braucht, soll er arbeiten! Wichtig ist, dass es freiwillig ist.

Gabriel Obernoster­er

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Der Tourismuss­precher und derBaugewe­rkschafter im Duell
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