Polit-Wirbel um das inszenierte Grenzmanöver
Von „Angriff auf europäischen Geist“bis zu notwendiger Vorbeugung: Flüchtlingsübung in Spielfeld scheidet weiter die Geister.
Die Grenzschutzübung von Polizei und Bundesheer in Spielfeld am Dienstag fand nicht nur in internationalen Medien großen Nachhall. In Österreich sorgt sie weiter für Kontroversen. So wollen die Neos mittels parlamentarischer Anfrage wissen, „wie viel der als Übung bezeichnete Fototermin“in Spielfeld gekostet hat, wie es Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper formuliert.
Neben dem inszenierten Charakter der Übung – die slowenische Tageszeitung „Dnevnik“bezeichnete sie als „Theater“, die deutsche „Bild“als „Propaganda-Show“– sorgte auch ihr Name für heftige Reaktionen: „Pro Borders“(für Grenzen) erinnert stark an einen Slogan, den unter anderem die Identitäre Bewegung in Deutschland 2015 benutzte. „Pro Border, Pro Nation“, sang auch die rechtsextreme Band Sturmkommando, ebenso findet sich der Slogan auf einschlägigen T-Shirts.
Zur Zielscheibe der Kritik in sozialen Medien wurde das steirische Landespolizeikommando, weil es seine Berichterstattung über die Übung in Spielfeld mit dem Kürzel #proborders begleitete. Der Name wurde allerdings vom Innenministerium gewählt.
Der grüne Europa-Abgeordnete Michel Reimon sieht sich vor der am Sonntag beginnenden EU-Ratspräsidentschaft Österreichs besorgt. Die Spielfeld-Übung bezeichnet er als „Angriff auf den europäischen Geist“und eine Provokation gegenüber Slowenien. Auch SPÖChef Christian Kern ätzte auf Twitter über „Truppenübungen an der EU-Binnengrenze“.
Zur Verteidigung der Regierung rückte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) aus: „Damals, 2015, herrschte Ratlosigkeit. Österreich war nicht vorbereitet auf diesen Ansturm. Da standen bis zu 8000 Menschen an der Grenze und drängten nach Österreich.“Selbst wenn in den ersten Tagen, als der Strom einsetzte, genug Polizei und Militär an der Grenze gewesen wäre und die Massen hätten gestoppt werden können, hätte es unweigerlich Tote gegeben, ist der Landeshauptmann überzeugt. „Die Menschen wären erdrückt worden.“
Später wurde das Grenzmanagement aufgebaut, so wie es noch dort steht. Die Einrichtung solle sicherstellen, dass ein neuerlicher Massenansturm in geordneten Bahnen abgefertigt werden kann. „Nichts anderes wollte die Bundesregierung bei dieser Übung zeigen“, betont der Landeshauptmann.
Die türkis-blaue Regierung präzisierte unterdessen die Aufgaben der neu aufgestellten Grenzschutztruppe „Puma“. Wie Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bereits in Spielfeld andeutete, soll die rund 600
starke Polizeieinheit auch den Aufenthaltsstatus Fremder prüfen und Kontrollen in Unterkünften und Betriebsstätten durchführen. Zudem wird „Puma“laut Ministerratsbeschluss die Bearbeitung von Asylbegehren „im Rahmen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse im Sinne des Asylgesetzes sicherstellen“.
Um ständig aktuell über die Entwicklungen auf den Flücht- lingsrouten informiert zu sein, stellt die Regierung zudem eine beim Innenministerium angesiedelte „Taskforce Migration“auf. Sechs weitere Ressorts, von Kanzleramt bis Justiz, sind in der Arbeitsgruppe vertreten. Experten aus den Nachrichtendiensten von Polizei und Heer können jederzeit hinzugezogen werden, wöchentlich soll es einen Bericht an den Ministerrat geben. In Spielfeld verglich MiMann nister Kickl derartige Lagebilder mit einem Wetterradar, „das uns sagt, wo die nächste Gewitterfront daherkommt“.
Die EU-Kommission hatte am Dienstag bekannt gegeben, dass die Zahl der über das Mittelmeer kommenden Flüchtlinge weiter zurückgeht. 2015 waren es noch 1,05 Millionen gewesen, im Jahr 2016 waren es 374.000 und im Vorjahr 184.800. Im ersten Halbjahr 2018 kamen demnach 50.400 Migranten über das Mittelmeer. Bundeskanzler Sebastian Kurz verteidigte die Einrichtung der Taskforce nach dem Ministerrat mit einer möglichen neuerlichen Verschärfung der Situation. Angesprochen auf die Kritik daran sagte er: „Ich bin ein bisschen überrascht, dass es bei manchen in unserem Land so eine dringende Sehnsucht danach gibt, nicht auf herausfordernde Situationen vorbereitet zu sein.“