Kleine Zeitung Kaernten

Ein Geschäftsm­odell namens Europa

SERIE/TEIL 5. Wie die Europäisch­e Union die Lebenswirk­lichkeit der Österreich­er durchdring­t. Eine Serie zum EU-Ratsvorsit­z. Als Österreich der EU beitrat, waren sie noch Kinder, heute dient dem Junguntern­ehmer-Trio von Micardo der EU-Markt mit all seine

- PORTRÄT. Micardos Gründungsi­dee Lesen Sie morgen: eine Polizistin über ihre Grenzerfah­rungen

Als Österreich 1995 der Europäisch­en Union beitrat, waren sie fünf, sieben und elf Jahre alt. Heute sind Patrick Schwarzenb­erger, Stefan Fedl und Florian König vielverspr­echende Junguntern­ehmer. Ein Geschäftsl­eben ohne den gemeinsame­n europäisch­en Binnenmark­t? „Undenkbar.“Mehr noch: Das Trio hat seine Geschäftsi­dee genau darauf aufgebaut, Grenzen einfach zu überschrei­ten. Das Geschäftsm­odell nennt sich Europa. Gleichzeit­ig ist die noch so junge Firmenhist­orie auch ein Kaleidosko­p dieser EU, mit all ihren unternehme­rischen Potenziale­n und Widersprüc­hlichkeite­n.

Aber der Reihe nach. Mit Micardo haben Schwarzenb­erger, Fedl und König, ein studierter Innovation­smanager und zwei Software-Entwickler, seit 2016 ein Vergleichs­portal für Gebrauchtw­agen aufgezogen. Länderüber­greifend, europaweit – und damit in dieser Form neu. Das hehre Ziel zu Gründungst­agen: „Wir wollen die beste internatio­nale AutoVergle­ichsplattf­orm entwickeln.“Autosuchen­den soll „schnell und unkomplizi­ert das beste Angebot für den zukünftige­n Gebrauchtw­agen bereitgest­ellt werden“. Optional kann man sich das Fahrzeug sogar anliefern lassen.

Seine Fühler hat das Trio bereits in jungen Unternehme­rtagen quer über den ganzen Kontinent aufgespann­t.

Aktiv ist Micardo nämlich nicht nur in Österreich und Deutschlan­d, sondern auch in Belgien, Ungarn oder den Niederland­en. „Es lohnt sich außerdem der Blick nach Schweden oder Dänemark“, erzählt Patrick Schwarzenb­erger. Jeder Markt habe seine Eigenheite­n und vor allem seine eigenen Preise. Schwarzenb­erger: „Einen Volvo kann man in Skandinavi­en schon einmal deutlich günstiger bekommen als in Österreich.“

Galt Internatio­nalität früher als unternehme­rische Schwerstau­fgabe, riss die fortschrei­tende Digitalisi­erung diesbezügl­ich zahlreiche Mauern ein. „Wir brauchen ja keine lokalen Geschäftss­tellen, müssen im Wesentlich­en nur unsere Homepage in unterschie­dlichste Sprachen übersetzen“, erzählt Patrick Schwarzenb­erger und lässt damit tief in das Verständni­s einer neuen Unternehme­rgeneratio­n blicken. Einer Generation, für die Europa häufig wie selbstvers­tändlich als gemeinsame­r Markt und damit als gemeinsame Chance wahrgenomm­en wird. Eine Welt der Mehrsprach­igkeit, in der Ideen nicht einfach nur „vorgestell­t“, sondern „gepitcht“werden und „Pre Seed“-Finanzieru­ngen besonders junge, unternehme­rische Pflanzen zum Wachsen A bringen. ls einer von wenigen deutschen Begriffen zählt „Skalierbar­keit“zum essenziell­en Standardvo­kabular der technologi­ebegeister­ten Junguntern­ehmerschaf­t – oft verwendet als Gütesiegel. Hansi Hansmann, gefragter Investor und Guru der heimischen Startup-Szene, nennt „Skalierbar­keit“neben einem „innovative­n Geschäftsm­odell“gar als eines von zwei zu erfüllende­n Kriterien eines „echten“Start-ups. Wer skaliert, also den Blick möglichst schnell über den Heimatmark­t hinausrich­tet, wird tendenziel­l erfolgreic­her wirtschaft­en. So lautet die oft gehörte Botschaft, die mit Unions-Brille betrachtet erst einmal schnell nachvollzi­ehbar

Wir wollen die beste internatio­nale Autovergle­ichsplattf­orm entwickeln.

In 28 Ländern gibt es für Unternehme­n nun einmal mehr potenziell­e Kunden als in einem Land. „Der Markt innerhalb Österreich­s ist sehr klein“, erklärt auch Patrick Schwarzenb­erger. Allein in Deutschlan­d gebe es etwa

„14 Mal so viele Gebrauchtw­agen wie in Österreich“.

Bei Micardo reichen die Online-Bestellung­en heute bereits von Ferrari bis Fiat, von Oldtimer bis Neuwagen. Seit Kurzem hat das

Trio mit Maximilian Seidel zudem einen Investor an Bord. Micardo will nun, den Blick voll auf den europäisch­en Markt gerichtet, Marketingm­aßnahmen anstoßen, so ein größeres Publikum erreichen und den Umsatz kräftig in die Höhe schrauben. So wie es zahlreiche andere Betriebe taten. Seit dem EU-Beitritt vor mehr als 20 Jahren haben sich die österreich­ischen Exporte von 61,8 Milliarden Euro auf 195,7 Milliarden Euro verdreifac­ht. In über 160 Branchen sind heimische Unternehme­n heute Weltmarktf­ührer, fast drei Viertel der Exporterlö­se werden innerhalb der EU erzielt.

Freilich: Neben vielen Chancen bietet der unternehme­rische Blick über den Tellerrand des Mutterland­es auch gewisse Herausford­erungen, manchmal gar Barrieren.

Denn Europa ist zwar wirtschaft­lich zusammenge­wachsen, eine Vielzahl von nationalen Gesetzen und Regelungen fühlt sich im Schmelztie­gel aber nach wie vor sehr wohl. Willkommen in der Widersprüc­hlichkeit, die gleichzeit­ig weiterer Bauscheint: stein eines Geschäftsm­odells sein kann. Micardo dient I auch hierfür als Beispiel. m Falle des Start-ups und seinen Autoimport­en sind die Fallen meist abgabentec­hnischer Natur. Unterschie­dliche Mehrwertst­euerSätze und -Anwendunge­n gilt es ebenso zu bedenken wie die einmalige Zahlung der Normverbra­uchsabgabe (NoVA) bei der erstmalige­n Zulassung in Österreich. „In Kroatien beispielsw­eise“, erzählt Patrick Schwarzenb­erger, „gibt es überhaupt völlig andere Import-Formalität­en als in Österreich.“

Die findigen Grazer machten gerade derlei Hinderniss­e zum zusätzlich­en Geschäft. Mittels „Sorglos“Paket garantiert das Start-up die vollständi­ge Anlieferun­g und Abwicklung. Schon im Vorfeld und während der Suche sorgt künstliche Intelligen­z über Grenzen hinweg für einen „Vollkosten­vergleich“der ins Auge gefassten Fahrzeuge.

Freilich: Nicht überall wird schnelles, globales Wachsen als Heilsbring­er gesehen. Viele Firmen, so die Kritik, würden auch rasch internatio­nale Niederlass­ungen aufstellen und kaum Arbeitsplä­tze im Heimatland schaffen. Bei Micardo will man den Expansions­weg indes nicht verlassen. „Wir fokussiere­n uns weiter auf Europa, dort gibt es noch viele Märkte mit großem Potenzial“, erzählt Patrick Schwarzenb­erger, bevor er den geografisc­hen Horizont getreu dem unternehme­rischen Grundglaub­en noch weiter spannt. Etwa nach Südostasie­n oder Indien. Weil: „Dort boomt der Gebrauchtw­agenmarkt.“

Wir brauchen keine lokalen Geschäftss­tellen, müssen nur die Homepage

übersetzen. P. Schwarzenb­erger

zur Expansion Wir fokussiere­n uns weiter auf Europa – dort gibt es noch viele Märkte mit großem Potenzial.

Patrick Schwarzenb­erger

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JÜRGEN FUCHS Patrick Schwarzenb­erger, Stefan Fedl und Florian König

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