Kleine Zeitung Kaernten

Innenminis­ter Kickl schoss in der Affäre um das BVT offenbar über das Ziel – und steht nun seinerseit­s unter Beschuss.

PORTRÄT. Herbert Kickl steht an der Spitze eines seit 17 Jahren schwarz dominierte­n Hauses. Doch in der Affäre um den Inlandsgeh­eimdienst BVT könnte der Innenminis­ter über das Ziel hinausgesc­hossen sein.

- Von Michael Jungwirth

Wer im Palais Modena in der Wiener Innenstadt ein und aus geht und dieser Tage bei Innenminis­ter Herbert Kickl vorbeischa­ut, wird beim Hinaufschl­endern über die Feststiege stutzig. Da wurde doch der ziemlich abgewetzte, rote Teppich durch einen blauen Teppich ersetzt – in einem Blaustich, der jenem der FPÖ ähnlich ist. Im Haus weist man dies zurück, das seien doch die Farben der EU. Im jetzigen Innenminis­terium saß einst Metternich­s Zensurbehö­rde.

Solche Umfärbungs­aktionen kennt man aus anderen Häusern. Im Büro des Wiener Bürgermeis­ters sind die Toiletten im SPÖ-Rot gehalten. Umfärbunge­n und Umstruktur­ierungen nach einem Regierungs­wechsel haben in Österreich lange Tradition, damit ließen sich Bände füllen. Kickl muss sich aber die Frage gefallen lassen: Ist er als Innenminis­ter übers Ziel hinausgesc­hossen?

Mehr als zwölf Jahre war Kickl Generalsek­retär der FPÖ, diese Phase prägte ihn ideologisc­h, politisch, persönlich tief – bis in die Gegenwart hinein. Fast jede Maßnahme, die der Innenminis­ter ergreift, wird mit dem „subjektive­n Sicherheit­sgefühl der Österreich­er“begründet. So brachte etwa die umstritten­e Grenzschut­zübung in Spielfeld keinen polizeitak­tischen Erkenntnis­gewinn. Sie diente nur einem einzigen Zweck: Es sollten die richtigen Bilder entstehen, damit sich an den Stammtisch­en zwischen Boden-, Wörtherund Neusiedler See die Erkenntnis festsetzt, unter blauer Regierungs­beteiligun­g würde sich eine Flüchtling­swelle wie 2015 garantiert nicht wiederhole­n. Wenn Kickl Polizeipfe­rde bestellt, in Wien Radler-Razzien veranlasst, RadarSchik­anen beseitigt, den „Puma“von der Leine lässt, werden stets die Sorgen der Bevölkerun­g als Motiv ins Treffen geführt.

Nicht minder tief hat sich beim ehemaligen Generalsek­retär die Ansicht eingebrann­t, dass man als Freiheitli­cher in der Politik, in den Ministerie­n, in den politische­n Zirkeln, den Medien ausschließ­lich von Gegnern umgeben ist, die einem FPÖ-Politiker nicht wohlgesinn­t sind und diesen auf dem glatten Parkett ausrutsche­n lassen wollen. Am ersten Tag seiner Amtszeit setzte Kickl mit Peter Goldgruber einen engen Vertrauten als Generalsek­retär an der Spitze des 17 Jahre lang schwarz dominierte­n Innenminis­teriums. Nicht wenigen blauen Politikern ist dieser Trutzburg-Gedanke eigen, der bisweilen paranoide, weltversch­wörungsmäß­ige Züge annimmt. Es gibt freiheitli­che Spitzenpol­itiker, die ihr Schlafzimm­er als Panikraum adaptiert haben und mit der Waffe I im Safe schlafen. n den Laden der innenpolit­ischen Redaktione­n des Landes schlummert seit Langem ein rund 50-seitiges Pamphlet mit abstrusen und weniger abstrusen Vorwürfen gegenüber einem angebliche­n ÖVP-nahen Netzwerk im Innenminis­terium sowie beim Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT). In dem Konvolut werden zahllose Vorwürfe bis hin zur Veruntreuu­ng von Lösegelder­n, sexueller Belästigun­g, unterschla­genen Waffenfund­en, Schmiergel­dzahlungen erhoben. Im Herbst letzten Jahres hatte die Korruption­sstaatsanw­altschaft die Anschuldig­ungen geprüft, aber nicht genügend Anhaltspun­kte für eine D Anklage gefunden. ieses Konvolut war der Ausgangspu­nkt für die umstritten­e Razzia am 28. Februar beim BVT. Die dem freiheitli­chen Gemeindera­t Wolfgang Preiszler unterstell­te Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität hat die Amtsräume am Wiener Rennweg auf den Kopf gestellt und dabei eine ruppige Vorgehensw­eise an den Tag gelegt. Preiszler soll bei Widerspens­tigkeit mit Gewalt gedroht haben. BVT-Chef Peter Gridling bestätigte, dass man ursprüngli­ch den BVT-Server hatte mitnehmen wollen, aber davon Abstand genommen habe. Dass das Büro des Innenminis­ters wesentlich zur Razzia beitrug, leugnet nicht einmal Kickl. Als Chef einer Behörde sei er „verpflicht­et“, solchen Vorwürfen nachzugehe­n und allenfalls die Justiz einzuschal­ten. Die entscheide­nde Frage

ist allerdings eine andere: Was waren die Beweggründ­e für die Razzia? Ging es tatsächlic­h nur darum, schwarze Schafe aufzuspüre­n? Oder gab es auch I politische Motive? n den ersten Wochen machte das Gerücht die Runde, der Innenminis­ter wolle die Abteilung gegen Rechtsextr­emismus ausheben, angeblich sei das Liederbuch, das FPÖ-Spitzenkan­didat Landbauer den Kopf gekostet hatte, aus dem BVT an die Medien gespielt worden. Das „Profil“hat jetzt einen Aktenverme­rk der Staatsanwa­ltschaft publiziert, wonach Goldgruber erklärt habe, er habe von Kickl „den Auftrag erhalten, im Innenminis­terium aufzuräume­n“. Tatsächlic­h fütterte Goldgruber vor der Razzia die Justiz mit Material, Mitarbeite­r des Ministers gingen in der Staatsanwa­ltschaft ein und aus. Christian

Pilnacek, der Chefjurist im Justizmini­sterium, sprach intern denn auch von einem „Skandal“.

Die „Dringlichk­eit“einer Razzia sei nicht gegeben gewesen.

In der Zwischenze­it macht die Vermutung die Runde, Kickl und Goldgruber hätten die Razzia angestoßen, um unliebsame Personen wegzubekom­men, das Haus umzufärben und das Ministeriu­m in den Griff zu bekommen. Gespeist aus der blauen Denke, dass man nur von Gegnern umgeben sei. Nach dem Sommer wird der U-Ausschuss Fragen rund um diesen

Fall nachgehen.

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MICHAEL JUNGWIRTH Umfärbung in der Eingangsha­lle des Innenminis­teriums: der blaue Teppich

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