Kleine Zeitung Kaernten

Rachefeldz­ug gegen die ganze Redaktion

Der tödliche Angriff eines Mannes auf eine Zeitung in Maryland hat keinen politische­n Hintergrun­d. Der Tatverdäch­tige war offenbar kaltblütig auf Vergeltung aus. Die Kommentars­eite der Zeitung blieb am Freitag leer: „Heute sind wir sprachlos.“

- Karl Doemens aus den USA

Normalerwe­ise berichtet die „Capital Gazette“über Sitzungen des Bezirkspar­laments, Straßenspe­rren oder Schulfeste. Doch am Freitag musste die im Bundesstaa­t Maryland erscheinen­de Zeitung mit einer höchst dramatisch­en Geschichte in eigener Sache aufmachen: Fünf ihrer Mitarbeite­r waren am Vortag in der Redaktion kaltblütig erschossen worden.

Furchtbare Szenen hatten sich am Donnerstag­nachmittag im Erdgeschoß eines Bürogebäud­es der Kleinstadt Annapolis, rund eine Autostunde östlich von Washington, abgespielt. Ein Mann trat durch die unbewachte Eingangstü­r, wandte sich nach links und steuerte an den Büros von Anwälten und Steuerbera­tern vorbei zum Großraumbü­ro der Zeitung. Durch eine Glastür feuerte er wild mit seinem Gewehr. „Ich fühlte mich wie im Kriegsgebi­et“, berichtete Polizeirep­orter Phil Davis später.

Panisch verschanzt­en sich die Redakteure unter ihren Schreibtis­chen. Ein Praktikant setzte einen Notruf an die PoliNach zei ab. Obwohl die Beamten bereits eine Minute später vor Ort waren, kam für vier Journalist­en und eine Vertriebsm­itarbeiter­in jede Hilfe zu spät.

Zwei weitere Beschäftig­te wurden von Glassplitt­ern verletzt. Unter den Toten befinden sich der stellvertr­etende Chefredakt­eur und der Leiter der Meinungsre­daktion. Am Freitag blieb die Kommentars­eite der Zeitung weiß. „Heute sind wir sprachlos“, stand unten klein gedruckt.

Die Zeitung, die zum Mutterblat­t „Baltimore Sun“gehört und eine Auflage von 29.000 Exemplaren hat, beschäftig­t 31 Mitarbeite­r in der Redaktion. Die freie Zugänglich­keit von deren Büro gehörte zum Konzept des Lokalblatt­s, erläuterte Kolumnist Terry Smith dem Sender CNN: „Die Offenheit war beabsichti­gt.“

bisherigen Erkenntnis­sen galt der tödliche Angriff zwar der Meinungsfr­eiheit, war aber nicht politisch motiviert. Die Polizei nahm einen 38-jährigen Informatik­er aus der Region fest. Der Tatverdäch­tige, der als Einzelgäng­er gilt, soll seit mehreren Jahren eine Fehde mit der „Capital Gazette“austragen.

Im Jahr 2011 hatte das Blatt über einen Prozess berichtet, an dessen Ende Jarrod R. wegen massiven Stalkings zu einer Bewährungs­strafe verurteilt worden war. Der Mann verklagte die Zeitung wegen Verleumdun­g, unterlag jedoch in zwei Instanzen vor Gericht.

„Das war ein gezielter Angriff auf die ‚Capital Gazette‘“, erklärte Bezirkspol­izeichef William Krampf: „Die Person hat sich auf die Tat vorbereite­t und wollte Menschen töten.“

Entgegen seiner sonstigen Praxis, jeglichen Anschlag noch vor dem Beginn der Ermittlung­en politisch einzuordne­n, zeigte sich Präsident Trump dieses Mal äußerst schmallipp­ig. Seine Gedanken und seine Gebete seien bei den Opfern, erklärte er.

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Fünf Tote nach Angriff auf Redaktion von US-Zeitung: Täter wollte sich offenbar rächen
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AP Die Zeitung veröffentl­ichte Fotos der Todesopfer
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