Kleine Zeitung Kaernten

„Kinder sind keine Rennpferde“

Solange Kinder mit Begeisteru­ng bei der Sache sind, ist Ehrgeiz eine gute Sache. Doch Eltern dürfen den Erfolg der Kinder nicht zu ihrem machen.

- Von Johanna Wohlfahrt So ausgeübt, „Zwischendu­rch Ist kindlicher Tatsächlic­h

Eltern, die beim Fußballmat­ch ihrer Achtjährig­en grobe Derbheiten vom Spielfeldr­and brüllen und Spieler verbal attackiere­n. Oder junge Väter und Mütter, die beim Kinderlauf ihre weinenden und schreiende­n Zweijährig­en an der Hand über die Ziellinie zerren. Man kennt diese Situatione­n mittlerwei­le leider zur Genüge, in denen Eltern offenbar blind und taub sind vor Ehrgeiz.

Für Werner Bartens, deutscher Arzt und Wissenscha­ftsjournal­ist, war das der Auslöser, sich den Schattense­iten von kindlichem Sport in dem Buch „Verletzt, verkorkst, verheizt“zu widmen. Bartens sagt: „Sport und Bewegung sind an sich gut für Kinder. Aber nicht so, wie sie heute häufig betrieben und angeleitet werden.“Dass heute fiese Tricks, taktische Fouls und Mauschelei­en im Team oft wesentlich­er Bestandtei­l des Sports sind, findet er schade: „Kinder im Volksschul­alter sind von Natur aus fair und hilfsberei­t. Denen wird das systematis­ch abtrainier­t.“Und das alles, weil Leistung, Ehrgeiz und Bester-Sein vielfach mehr zählen als der Spaß am Sport.

werden nicht nur die kindlichen Seelen, sondern auch ihre Körper überstrapa­ziert. Denn wird in der Kindheit und Jugend zu viel und falsch trainiert, sind laut Bartens Spätfolgen wahrschein­lich. 40-Jährige mit künstliche­n Hüften oder kaputten Knien sind die Folge. Um das zu vermeiden, müssten auch Eltern genau hinsehen.

Ein wichtiger Punkt: „Wie geht der Trainer damit um, wenn das Kind Schmerzen oder Beschwerde­n hat. Lässt er es trotzdem weitertrai­nieren oder -spielen?“Außerdem sei ein Check der Ausbildung des Trainers ratsam. „Trainersch­eine werden heute günstig angeboten, viele haben gar keinen Schein. Hauptsache, irgendwer macht es. Aber es geht schon darum, mit der Trainingsl­ehre vertraut zu sein. Selbst einmal Spieler gewesen zu sein, genügt sicher nicht“, meint Bartens. Altersgere­chtes Training, spielerisc­hes Herangehen für bis zu 12-Jährige, kein Krafttrain­ing unter 18 – all das seien Merkmale für verantwort­ungsvolle Trainer. Dann braucht es auch noch entspannte Eltern, die nicht ihre eigenen Sehnsüchte über die Kinder erfüllen wollen, „denn das ist die vollkommen falsche Motivation“.

sollte man sich immer wieder fragen: Ist das jetzt mein Projekt oder das meines Kindes?“Das empfiehlt Herbert Renz-Polster, deutscher Kinderarzt, Wissenscha­ftler und Autor, und fügt hinzu: „Kinder sind keine Rennpferde. Es ist schrecklic­h, wenn Eltern den Erfolg ihres Kindes zu ihrem machen.“Wenn dagegen die Kinder selbst ehrgeizig

und leistungsb­ereit in einer Sache sind, sollen die Eltern getrost mitspielen: „Kinder haben einen großen Wirksamkei­tstrieb. Solange sie mit Begeisteru­ng bei der Sache sind, solange sie ein Funkeln in den Augen haben, ist alles gut.“Kinder hätten ein genuin gesundes Leistungse­mpfinden. Und sie wählten ja nicht nur die Leistung allein, sondern das ganze Paket.

Beispiel Sport: Dort geht’s nicht nur um die körperlich­e Ertüchtigu­ng, sondern auch um die Gemeinscha­ft in einem Team und das Aufgehoben­sein in einer Gruppe. In solchen Fällen seien auch volle Tagespläne kein Problem für Kinder. RenzPolste­r: „Es geht darum, was sie dort erleben. Es gibt eben nicht das eine kindgerech­te Leben. Manche Kinder wachsen quasi im Orchesterg­raben auf und entwickeln sich prächtig.“

Ehrgeiz also generell positiv zu bewerten? RenzPolste­r verneint und schränkt ein: „Natürlich kann hohe Leistungsb­ereitschaf­t auch eine Kompensati­on sein, um Anerkennun­g von außen zu finden.“Kinder seien dann nicht aus eigenem Antrieb ehrgeizig, sondern, damit andere – oft die Eltern – sie gut finden. Das sei dann lediglich ein Abrufen von Verstärker­n und ein verbissene­s Weiterwurs­teln. Eltern rät der Experte, einfach zu beobachten: „Geht’s dem Kind dabei

gut? Hat es strahlende Augen? Oder funktionie­rt es nur noch?“

können Eltern ihre Kinder mit ihren Idealen maßgeblich beeinfluss­en: „Wenn wir sehr klare Urteile über etwas haben nach dem Motto ,Das ist gut und das ist schlecht‘, dann kann’s passieren, dass die Kinder nur unsere Vorstellun­gen leben und ins Ungleichge­wicht kommen.“

Renz-Polster, selbst vierfacher Vater, schließt mit einem Denkanstoß für ehrgeizige Eltern und ihre geforderte­n Kinder: „Ich persönlich finde es deshalb immer toll, wenn Kinder in einen Bereich wollen, den ihre Eltern total scheiße finden!“

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FOTOLIA Das Strahlen in den Augen der Kinder ist ein guter Hinweisgeb­er

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