Fünf Kinder, kranke Oma, ein Bauernhof
Einen 12-Stunden-Arbeitstag haben viele, aber vergleichbar sind sie deshalb noch lange nicht.
Zitronen, Äpfel, Karotten. Zurzeit wird alles in den 12Stunden-Arbeitstag-Korb geworfen. Schaut Bäuerinnen an, die oft mehr als 12 Stunden arbeiten, rufen Fans der Arbeitszeitnovelle, die weniger Hürden als bisher für den 12-Stunden-Tag bringen soll. Als ob sich der Arbeitstag einer Bäuerin, die am Hof arbeitet, den Stall macht, fünf Kinder, eine pflegebedürftige Oma hat und im Sommer Gäste bewirtet, vergleichen lässt mit dem Arbeitstag einer Fließbandarbeiterin. Zwölf Stunden am eigenen Hof zu arbeiten, ist hart – und dennoch nicht vergleichbar mit zwölf Stunden in einer Fabrik. Selbstbestimmt oder fremdbestimmt zu arbeiten, lässt sich nicht vergleichen. Wie 12-Stunden-Arbeitstage von Managern anders ablaufen als 12-StundenTage in einer Baugrube. Nicht nur, weil die Freiwilligkeit eine echte und keine aus Angst um den Arbeitsplatz unausgesprochen erzwungene ist. Ja, es gibt auch Manager, die sich wie kürzlich in einem Unternehmen am Sonntag selbst in die Fabrikshalle stellen und einmal mitarbeiten. Als Akt der Solidarität, um zu zeigen, dass man auch als Führungskraft auf den Sonntag verzichtet, wenn die Auftragslage es erfordert. efürworter der umstrittenen Novelle mit erleichterten 12-Stunden-Tagen meinen ja, Menschen könnten weiter
Bselbst entscheiden, ob sie vier, acht oder manchmal zwölf Stunden arbeiten. Und da sind sie durchaus einer Meinung mit den Teilnehmern der gestrigen Großdemonstration in Wien gegen das geplante Gesetz. Jeder soll frei entscheiden. Nur: Einfacher fällt eine solche Entscheidung, wenn wie bislang der Betriebsrat verhandelt. Was sagt denn ein Arbeiter seinem Chef, wenn dieser ihn bereits zum dritten Mal persönlich bittet, zwölf Stunden zu arbeiten, er aber nicht möchte? Er wird Ja sagen – unfreiwillig freiwillig.