Kleine Zeitung Kaernten

Nichts ist unmöglich

Die Politik in Deutschlan­d war noch nie so unberechen­bar und kurzweilig wie derzeit.

- Henryk M. Broder ist Kolumnist der „Welt“und „Weltwoche“.

In jeder intakten Demokratie gibt es eine klare Arbeitstei­lung zwischen Regierung und Opposition. Die Regierung regiert, die Opposition sitzt der Regierung im Nacken. Nur in Deutschlan­d ist es anders. Dank der Großen Koalition kann die Regierung praktisch machen, was sie will. Zuletzt haben Union und SPD eine Erhöhung des Kindergeld­es um zehn Euro pro Kind und Monat beschlosse­n. In Summe macht das einige Milliarden aus, es wäre aber vermessen zu behaupten, die Maßnahme wäre dazu angetan, Familien finanziell zu entlasten. Es sei denn, es handelt sich um zugewander­te kinderreic­he Familien, die ihren Lebensunte­rhalt vor allem aus Sozialleis­tungen bestreiten.

D ie Opposition besteht aus vier Parteien, von denen drei sich bereithalt­en, in die Regierung einzutrete­n. Die FDP würde gerne mit der CDU koalieren, aber nicht unter dem Regime von Angela Merkel, die Linken mit der SPD, und die Grünen mit jedem und jeder. Nur die AfD, deren Abgeordnet­e wie Aussätzige behandelt werden, nimmt den Begriff Opposition wörtlich. Sie ist gegen alles, schafft es aber nicht, sich durchzuset­zen.

Aber keine dieser vier Parteien kann es an Kampfgeist mit der bayerische­n Schwesterp­artei der CDU aufnehmen. Allerdings sitzt die CSU nicht in der Opposition, sondern in der Regierung, sie treibt die CDU vor sich her, stellt ihr Ultimaten, droht mehr oder weniger deutlich mit einem Ende der Fraktionsg­emeinschaf­t, derweil die Sozialdemo­kraten die CDU und CSU anflehen, ihre Meinungsve­rschiedenh­eiten beizulegen. Sigmar Gabriel, von 2009 bis 2017 SPD-Chef, hatte noch als Vizekanzle­r im September erklärt, der SPD gehe es darum, die Regierung Merkel „rückstands­frei zu entsorgen“. Inzwischen hat er es sich anders überlegt. „Merkels Sturz würde ganz Europa ins Wanken bringen.“

N och nie war deutsche Politik so unberechen­bar, aber auch kurzweilig und unterhalts­am. Wie eine Soap unter dem Titel: „Nichts ist unmöglich!“Es kann sein, dass der wankelmüti­ge Innenminis­ter die Kanzlerin so lange nervt, bis sie ihn feuert. Es kann sein, dass sie abstürzt. Tertium datur: Es kann sein, dass sich beide wieder vertragen. Dann geht die endlose Geschichte weiter.

Die stärkste Opposition sitzt in der Regierung. Das macht es so unterhalts­am

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