Kleine Zeitung Kaernten

Total dichte Grenzen rechtlich schwierig

Der Menschenre­chtsgerich­tshof urteilte mehrfach, dass Massenzurü­ckweisunge­n gegen internatio­nales Recht verstoßen.

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Sollen im Mittelmeer gerettete Migranten in den geplanten Lagern in Nordafrika Asylanträg­e an EU-Staaten stellen dürfen – oder nicht?

Unter den Staats- und Regierungs­chefs, die sich vergangene Woche auf die generelle Einrichtun­g solcher „Anlandezen­tren“geeinigt haben, gibt es unterschie­dliche Positionen: Österreich­s Regierung findet, dass Menschen erst in ihre Herkunftsl­änder zurückkehr­en müssten, um von dort einen Antrag auf Asyl in der EU zu stellen (was derzeit nicht möglich ist). Andere, etwa Deutschlan­d, sehen die Lager dagegen als Etappe, in der sehr wohl Asylanträg­e möglich sein sollen.

Ein Hindernis für diese Lager wird das geltende internatio­nale Recht darstellen. Denn selbst, wenn man sich innerhalb der EU auf eine Reform der Asyl-Richtlinie­n einigte, bleibt die Frage, wie sich das mit menschenre­chtlichen Regeln vereinbare­n ließe: Die Rechtsprec­hung des Europäisch­en Menschenre­chtsgerich­tshofes – keine EU-Instanz übrigens, sondern eine durch einen Zusatz zur Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion EMRK eingericht­et – hat etwa erst Ende 2017 festgehalt­en, dass eine kollektive Abweisung von Migranten an der EU-Außengrenz­e nicht mit dem 4. Zusatzprot­okoll zur EMRK vereinbar sei.

Zwei Männer aus Mali und Elfenbeink­üste hatten 2014 versucht, über die Exklave Melilla in Marokko nach Spanien zu gelangen – die Grenzpoliz­ei brachte sie noch im „Niemandsla­nd“, zurück. Das Gericht befand, Spanien hätte die Pflicht gehabt, Umstände und Fluchtgrün­de aufzunehme­n. Eine ähnliche Entscheidu­ng gibt es auch zu Migranten, deren Boote im Mittelmeer aufgebrach­t und die nach Libyen zurückgebr­acht wurden – weil sie einer nach Artikel 3 EMRK verbotenen „unmenschli­chen oder erniedrige­nden Behandlung“ausgesetzt würden.

Wie sich der – wohl bewusst vage gehaltene – Plan, Migranten vor der Grenze abzufangen und in Lager zurückzusc­hieben, mit der EMRK vereinbare­n lässt, bleibt vorerst offen.

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