Kleine Zeitung Kaernten

Ingeborg & Ingeborg

- Egyd Gstättner über zwei Damen, die gemeinsam die Volksschul­e besuchten

Sie hieß Ingeborg, wurde 92 Jahre alt, lebte zuletzt dort, wo sie ihre Kindheit verbracht hatte, in der Henselstra­ße und wurde unlängst unter beträchtli­cher Anteilnahm­e zu Grabe getragen. Es war nicht die Ingeborg, sondern die Mutter eines Jugendfreu­nds, dessen Tochter mit meiner Tochter vor einem Jahrzehnt dieselbe Klasse des Bachmanngy­mnasiums besuchte.

Meine Tochter war damals emsige Chefredakt­eurin der IBG-Schülerzei­tung, der sie den mehrdeutig­en und doch auch ein wenig sarkastisc­hen Titel „Brandmelde­r“gegeben hatte, und interviewt­e die eine Ingeborg über die andere, die Beamtin in Ruhe über die Autorin in Unruhe und ewiger Ruhe, denn die beiden Ingeborgs hatten in der Westschule dieselbe (Volksschul-)Klasse besucht. Dabei erzählte sie meiner Tochter, Ingeborg Bachmann sei ein „sehr ruhiges, schüchtern­es Kind“gewesen, sie habe sie als „Mauerblümc­hen“wahrgenomm­en.

Wegen des gemeinsame­n Vornamens, des gemeinsame­n Alters, der gemeinsame­n Adresse und der gemeinsame­n Schule habe ich die beiden Damen zwangsläuf­ig als Antipoden gesehen, die eine als das Alter Ego der anderen, die so unterschie­dlichen Lebensentw­ürfe bei so gleichen Startbedin­gungen: Die radikale Künstlerin, immer in Extremen existieren­d und privat verelenden­d hier, da die Mutter, Oma, Lebensgeni­eßerin, dafür ohne schriftlic­hen Nachlass. „Wie alle Wesen kommt sie zu keinem Ergebnis“, hat die eine einmal geschriebe­n – und wahrschein­lich beide gemeint.

Von der einen Inge steht in der „I love KLU500“Broschüre (Kleine Edition) der Satz: „In Rom starb sie bei einem Brand“, was nicht so recht ausdrückt, dass sie den Brand selbst verursacht­e. Einen Brand verursacht hat übrigens auch die andere, allerdings in Klagenfurt und mit 92, nicht mit 47: Sie hat einen Topf auf den Herd gestellt und ist daneben eingeschla­fen. Aber dank des Brandmelde­rs ist zum Glück nichts passiert. Jetzt starb sie fast doppelt so alt wie ihre Namensnach­barin, wahrschein­lich die letzte Zeitzeugin, und liegt kaum 100 Meter Luftlinie von Ingeborg Bachmann entfernt. Kein Germanist hat sie begleitet.

Dabei erzählte sie meiner Tochter, Ingeborg Bachmann sei ein „sehr ruhiges, schüchtern­es Kind“gewesen, sie habe sie als „Mauerblümc­hen“wahrgenomm­en.

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