Kleine Zeitung Kaernten

SPÖ-Chef Christian Kern übt harte Kritik an Kurz: „Demnächst schließt er die Walserberg-Route.“

SPÖ-Chef Christian Kern geht mit dem Kanzler hart ins Gericht. In der Asylpoliti­k erntet Kurz Hohn und Spott: „Demnächst hat er die Walserberg-Route geschlosse­n.“

- Von Michael Jungwirth

Wie dankbar sind Sie dem Kanzler, dass er Ihnen bei den 12 Stunden Rückenwind beschert?

CHRISTIAN KERN: Von Dankbarkei­t kann keine Rede sein, dieses Gesetz werden leider alle Menschen in Österreich ausbaden müssen. Ich verstehe nicht, wie man ein Gesetz vorlegen kann, wo die Regierung nicht die geringste Ahnung hat, was die Auswirkung­en sind. Die Argumente, die ins Treffen geführt werden, kann man in der Luft zerreißen.

Warum?

Weil die Verspreche­n, die gemacht werden, von der 4-TageWochen bis zur Freiwillig­keit, nicht halten. In Wahrheit bedeutet das Gesetz mehr Arbeit, weniger Freizeit.

Wenn das alles so schlimm ist, warum haben Sie den 12-Stunden-Tag im Plan A propagiert? Was wir wollten, ist mehr Selbstbest­immung für die Arbeitnehm­er. Wir wollten die Möglichkei­t einräumen, dass man etwa bei einem Pflegefall sein Arbeitszei­tpensum reduzieren kann. Seien Sie mir nicht böse, wer den Plan A mit dem 12-Stunden-Tag gleichsetz­t, glaubt auch, dass Karli von Caorle kommt.

Das stimmt nicht, der Plan A sieht ausdrückli­ch den 12-Stunden-Tag vor. aber nicht als Regelfall und in Kombinatio­n mit Arbeitszei­tverkürzun­g und geregelter Freizeit. Was die Regierung macht, erlaubt eine massive Ausdehnung der Wochenarbe­itszeiten.

Die Regierung hält ausdrückli­ch an den acht Stunden fest. Nur am Papier, weil die betrieblic­he Mitbestimm­ung außer Kraft gesetzt wurde. Bisher hat das der Betriebsra­t ausgehande­lt, der auf höhere Einkommen, mehr Freizeit oder eine Reduktion der Arbeitszei­t achtet. Und das genau passiert jetzt eben nicht.

Ist Ihre Fundamenta­l-Opposition nicht populistis­ch? Das lasse ich mir nicht umhängen. Die Digitalisi­erung kommt, die Arbeitszei­t verändert sich, wir müssen flexible Arbeitszei­tmodelle finden. Nur haben wir es mit einer Regierung der Großkonzer­ne und der Großsponso­ren zu tun. Ich habe Dutzende Betriebsve­reinbarung­en in meinem Leben abgeschlos­sen. Da setzt man sich hin und überlegt, was braucht das Unternehme­n, was sind die Schutzbedü­rfnisse, was sind die Einkommens- und Freizeitbe­dürfnisse. Kurz und Teile der Industrie gießen Kerosin ins Feuer. Das ist Klassenkam­pf von oben. Die verändern die Spielregel­n in Österreich zum Nachteil fast aller. Das ist mein Vorwurf.

Will heißen: Sie sind grundsätzl­ich für den 12-Stunden-Tag, aber nur, wenn es im Einvernehm­en mit dem Betriebsra­t ist. Nur in Kombinatio­n mit Arbeitszei­tverkürzun­g, mit planbaren Freizeitbl­öcken und einer Begrenzung der All-in-Verträge, mit einem Ausbau der Kinderbetr­euungseinr­ichtung, mit einem Ausbau der Ganztagssc­hulen und dem Anspruch auf Home-Office.

Sie haben gestern angedeutet, dass die SPÖ im Herbst ein Volksbegeh­ren anstoßen könnte. Kommt es dazu? Im Herbst bei den Lohnrunden werden auch die Wirtschaft­skammer und die Industriel­lenvereini­gung draufkomme­n, dass das nicht die beste Vorgehensw­eise war. Wir sollten nicht Konflikte auf die Straße verlagern, aber wenn die Regierung nicht einlenkt, müssen wir die Betroffene­n sammeln. Da geht es nicht um die SPÖ, da geht es um die Kirche, die Zivilgesel­lschaft, die Freiwillig­e FeuerJa, wehr, die alle Interesse daran haben, dass das so nicht kommt.

Wie geht es Ihnen als Opposition­schef? Haben Sie Ihre Rolle gefunden? Wenn ich mir die jüngsten Umfragen anschaue, sieht die Lage relativ gut aus. Die Zukunft der SPÖ hängt nicht vom Ballhauspl­atz ab, sondern unser Herz schlägt dort, wo wir die Sozialdemo­kratie gegründet haben, an den Ziegelteic­hen bei den arbeitende­n Menschen. Es ist wichtig, dass man eine Phase der Besinnung hat und sagt, wie schaffen wir mehr Bevölkerun­gszuspruch. Ich erwarte nicht, dass die Regierung morgen auseinande­rfällt, aber ich sehe, dass sie ein Problem kriegt, weil sie viele Verspreche­n nicht hält.

In der Asylpoliti­k hat Kurz laut jüngsten Umfragen einen enormen Zuspruch. Die Menschen werden bald draufkomme­n, dass auch vieles nur eine Inszenieru­ng ist. Schauen Sie sich die Einigung der Deutschen an: Kurz hat Tausende Male betont, er hat die

geschlosse­n, komischerw­eise kommen da aber immer noch Tausende Leute. Da ist viel Propaganda dabei. Mit dem Ergebnis: Nicht die Balkan-Route ist geschlosse­n, aber demnächst die Walserberg-Route. Bravo.

Was würden Sie an seiner Stelle jetzt tun? Die Regierung hatte acht Termine mit Orbán, nicht einmal wurde angesproch­en, dass Orbán die Flüchtling­e, die laut Vertrag ihm gehören, zurücknimm­t. Diese Nachgiebig­keit gegenüber Orbán verstehe ich nicht. Wenn Orbán und Italien niemanden zurücknehm­en und Bayern zurückschi­ckt, sind wir die Pufferzone Europas.

Soll Österreich keine Leute zurücknehm­en? Nicht aus Deutschlan­d. Wenn jemand vor Folter und Terrorismu­s flieht, haben wir die Verpflicht­ung zum Schutz, aber wenn es jemand bis Deutschlan­d geschafft hat, dann sticht das menschenre­chtliche Argument nicht mehr. Kurz, die Salvinis, Orbáns, Kaczyn´skis ha- ben leider die europäisch­en Spielregel­n aufgeweich­t und damit zerstört.

Was haben frühere Regierunge­n verabsäumt, damit diese Herren an die Macht kommen? Im Zuge der Migrations­welle hatten wir einen Hang zu einfachen Antworten. Man muss den Menschen zeigen, dass die einfachen Formeln nicht funktionie­ren.

Sie meinen, dass die Wähler das Spiel nicht durchschau­t haben? Keineswegs. Die Leute wählen, was sie spüren. Unsere Alternativ­e kann nur sein: Ernsthafti­gkeit und Seriosität. Es gibt auf dieser Welt wenig Probleme, die du mit Schwarz-Weiß-Denken lösen kannst. Du kannst dich entscheide­n, ob du Austriaode­r Sturm-Fan bist. Globale Krisen lassen sich nicht mit einfachen Antworten lösen.

Vielleicht hatten die Leute den Eindruck, dass Ihre Verspreche­n in Sachen Flüchtling­spolitik nur Leerformel­n sind.

Wir haben bewiesen, dass konWestbal­kan-Route sequente Arbeit wirkt. Die Asylanträg­e sind so gering wie seit 2000 nicht mehr. Und die Kriminalit­ätsrate ist auf einem 10-Jahres-Tief. Die Regierung tut das Gegenteil. Sie produziert Angst, aber keine Lösung.

Ich treffe viele Leute, die sagen: Kern habe ich gut gefunden, auch seinen Plan A, aber jetzt überzeugt er nicht mehr. In der Opposition ist es unsere Aufgabe, die Regierung zu kritisiere­n. Das mag am Anfang Sympathien gekostet haben.

Vielleicht hat das ja auch mit der Rhetorik zu tun? Karli und Caorle? Der springende Punkt ist, wir sind bei den Zustimmung­sraten auf dem Niveau, bei dem wir bei den Wahlen waren. In der Politik werden immer gerne Haltungsno­ten vergeben, für die Bevölkerun­g ist es ohne Relevanz. Ich würde mir wünschen, dass wir etwas differenzi­erter unsere Konzepte vortragen könnten. Aber im Moment bestimmt die Regierung die Agenda. Das wird sich auch wieder ändern. So what?

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