Eine Todesspirale
D ie Politik hat ein neues Lieblingsspiel. Da wird zunächst einmal ordentlich gedroht und dann passiert wenig bis gar nichts. Der deutsche Innenminister lieferte dazu ein Meisterstück ab. Horst Seehofer drohte mit seinem Rücktritt aus allen Funktionen, dem Platzen der Koalition inklusive des Fallenlassens von Kanzlerin Merkel. Ganz nach dem Vorbild Jörg Haiders ging es hin und her, mal war er weg, dann plötzlich wieder da. Breaking News, Überschriften und Sondersendungen versetzten inzwischen nicht nur unser Nachbarland in Alarmstimmung, sondern gleich die ganze EU. Trotz drängender gemeinsamer Probleme schienen wieder einmal regionale und parteipolitische Befindlichkeiten wichtiger.
Doch auch bei uns wurden in letzter Zeit Drohgebärden immer häufiger ausgepackt. Da marschiert die Gewerkschaft durch Wien und streitet mit der Polizei, ob nun 30.000, 80.000 oder über 100.000 Personen auf dem Heldenplatz gegen den geplanten 12-Stunden-Tag demonstrierten. Mit Streik wird gedroht, vorsorglich wurden dafür Beschlüsse gefasst und es folgen Betriebsversammlungen. Diese sind zwar noch kein Streik, aber doch so ähnlich. Der Zeitpunkt wurde genauso vorsichtig gewählt. Zu Beginn der Ferienzeit sind die Ausfälle im öffentlichen Verkehr nicht so störend. Warten auf dem Bahnsteig verärgert bei warmen Temperaturen weniger.
D enn die Sozialpartner wollen und sollten es sich auf keinen Fall mit der Bevölkerung verderben. Immerhin wurden sie wiederum von der Regierung gemahnt: Sollten sie bis Ende Juni kein Reformkonzept vorlegen, droht … ja was? Die Regierung ließ ihr selbst gestelltes Ultimatum verstreichen. Eltern wissen, was passiert, wenn dauernd mit leeren Drohungen gearbeitet wird. Niemand nimmt sie mehr ernst. Doch gleichzeitig wird die Eskalationsstufe erhöht und entwickelt sich langsam zu einer Todesspirale. Ähnlich wie im berühmten Feiglingsspiel rasen die Kontrahenten aufeinander zu und hoffen, dass der andere zuerst kneift. Das Ziel ist die Blamage des Gegners und nicht die Lösung eines Problems. Was bleibt, sind die bedrohliche Stimmung und eine zerstörte Gesprächsgrundlage.
„Eltern wissen, was passiert, wenn dauernd mit leeren Drohungen gearbeitet wird. Niemand nimmt sie mehr ernst.“