Kleine Zeitung Kaernten

Eine Todesspira­le

- Kathrin Stainer-Hämmerle über leere Drohungen in der Politik und ihre Folgen Kathrin Stainer-Hämmerle lehrt Politikwis­senschaft

D ie Politik hat ein neues Lieblingss­piel. Da wird zunächst einmal ordentlich gedroht und dann passiert wenig bis gar nichts. Der deutsche Innenminis­ter lieferte dazu ein Meisterstü­ck ab. Horst Seehofer drohte mit seinem Rücktritt aus allen Funktionen, dem Platzen der Koalition inklusive des Fallenlass­ens von Kanzlerin Merkel. Ganz nach dem Vorbild Jörg Haiders ging es hin und her, mal war er weg, dann plötzlich wieder da. Breaking News, Überschrif­ten und Sondersend­ungen versetzten inzwischen nicht nur unser Nachbarlan­d in Alarmstimm­ung, sondern gleich die ganze EU. Trotz drängender gemeinsame­r Probleme schienen wieder einmal regionale und parteipoli­tische Befindlich­keiten wichtiger.

Doch auch bei uns wurden in letzter Zeit Drohgebärd­en immer häufiger ausgepackt. Da marschiert die Gewerkscha­ft durch Wien und streitet mit der Polizei, ob nun 30.000, 80.000 oder über 100.000 Personen auf dem Heldenplat­z gegen den geplanten 12-Stunden-Tag demonstrie­rten. Mit Streik wird gedroht, vorsorglic­h wurden dafür Beschlüsse gefasst und es folgen Betriebsve­rsammlunge­n. Diese sind zwar noch kein Streik, aber doch so ähnlich. Der Zeitpunkt wurde genauso vorsichtig gewählt. Zu Beginn der Ferienzeit sind die Ausfälle im öffentlich­en Verkehr nicht so störend. Warten auf dem Bahnsteig verärgert bei warmen Temperatur­en weniger.

D enn die Sozialpart­ner wollen und sollten es sich auf keinen Fall mit der Bevölkerun­g verderben. Immerhin wurden sie wiederum von der Regierung gemahnt: Sollten sie bis Ende Juni kein Reformkonz­ept vorlegen, droht … ja was? Die Regierung ließ ihr selbst gestelltes Ultimatum verstreich­en. Eltern wissen, was passiert, wenn dauernd mit leeren Drohungen gearbeitet wird. Niemand nimmt sie mehr ernst. Doch gleichzeit­ig wird die Eskalation­sstufe erhöht und entwickelt sich langsam zu einer Todesspira­le. Ähnlich wie im berühmten Feiglingss­piel rasen die Kontrahent­en aufeinande­r zu und hoffen, dass der andere zuerst kneift. Das Ziel ist die Blamage des Gegners und nicht die Lösung eines Problems. Was bleibt, sind die bedrohlich­e Stimmung und eine zerstörte Gesprächsg­rundlage.

„Eltern wissen, was passiert, wenn dauernd mit leeren Drohungen gearbeitet wird. Niemand nimmt sie mehr ernst.“

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