Kleine Zeitung Kaernten

Gerettet, aber nicht geborgen

Das lange Bangen im Höhlengefä­ngnis: Die Evakuierun­g der in thailändis­cher Höhle eingeschlo­ssenen Kinder kann Monate dauern. Zuvor sollen sie tauchen lernen.

- Daniel Kestenholz aus Bangkok

Hey ihr, danke, danke!“Das waren die ersten Worte, mit denen die britischen Taucher John Volanthen und Richard Stanton begrüßt wurden – von schon tot gemeinten Teenagern, die seit zehn Tagen in der überflutet­en Tham-Luang-Höhle nahe Chiang Rai in Nordthaila­nd vermisst waren.

Nicht, dass die Kinder völlig am Ende sind, als ihre Retter plötzlich mit Taschenlam­pen aus dem schwarzen Wasser auftauchen. Sie seien „hungrig, hungrig!“, rufen die Buben. Betäubt von den ersten Lichtstrah­len seit zehn Tagen fragen sie desorienti­ert, wie lange sie schon in der Höhle seien. Doch keine Spur von Panik. Einer der Gruppe fragt die Retter: „Where you come from?“– woher seid ihr? Den beiden Briten ist klar: Die Kinder sind zwar abgemagert, aber auch zäh und haben in der ausweglose­n Situation das einzig Richtige gemacht. „Ihr seid sehr, sehr stark“, ruft ihnen Volanthen zu, der die dramatisch­en Szenen auf Video fest- hielt. Die Kinder hielten zusammen, um sich gegenseiti­g zu stärken. Angehörige, die seit zehn Tagen vor der Höhle campierten und auf ein Wunder hofften, hörten erst die Freudensch­reie von Helfern. Eltern, Brüder und Schwestern brachen unter Freudenträ­nen zusammen. „Ich möchte mein Kind umarmen“, sagte Adisak Wongsukjan, dessen 14-jähriger Sohn Ekarat in der Höhle gefangen ist. Doch das härteste Stück steht erst bevor: Wie die Freunde vom Fußballklu­b „Wildschwei­n“im Alter von 11 bis 16 Jahren und ihren 25-jährigen Coach aus der Höhle bringen?

Volanthen und Stanton, die auf Bitte Thailands anreisten, zählen zu den Besten der Welt. Am späten Montagaben­d Ortszeit der Durchbruch: Die Extremtauc­her hatten es nach einem sechsstünd­igen Alleingang geschafft, die Vermissten zu orten. Dazu hatten erst engste Passagen ausgemeiße­lt gehört, uner- fahrene Taucher wären wohl in klaustroph­obische Panik verfallen, wenn sie durch brauntrübe Passagen zu tauchen hätten.

Die eingeschlo­ssene Gruppe hatte nicht wie erwartet in der Pattaya-Beach-Höhlenkamm­er Zuflucht gefunden, musste sich vor den ansteigend­en Wassermass­en noch weitere 400 Meter in einen höher gelegenen Schacht retten. Entspreche­nd riskant wird die Evakuierun­g: Der Höhleneing­ang, wo schon 13 Krankenwag­en bereitsteh­en, liegt rund drei Kilometer entfernt. Dazwischen liegen Gefahren, die auch Höhlenexpe­rten an ihre Grenzen bringen.

Speziell ausgebilde­te Ärzte, die einen so schwierige­n Tauchgang schaffen, versorgen die Kinder derzeit mit nährreiche­n Gels, Energiedri­nks und Medikament­en, um sie zu stärken. Essen konnte noch nicht durch die zehn Kilometer lange Höhle gebracht werden. Rettungskr­äfte bemühen sich, eine Versorgung­skette einzuricht­en und Kabel zu ziehen, damit die Kinder mit Familie und Freunden sprechen können. Es können Wochen, wenn nicht Monate verstreich­en, bis sie das Tageslicht wiedersehe­n. Doch die Zeit drängt, die Regenzeit hat begonnen. Laut Thailands In- nenministe­r Anupong Paochinda gehören die Buben und ihr Coach, allesamt Nichtschwi­mmer, noch vor dem Anstieg des Flutwasser­s geborgen. Fraglich, ob die Pumpen genügend Wasser absaugen können, wenn die nächste Monsunfron­t kommt.

Die Kids könnten erst evakuiert werden, wenn es einen „total sicheren Weg“gebe, beharrt Narongsak Osottanako­rn, Leiter der Rettungsar­beiten. Drei Optionen werden erwogen, alle drei gefährlich: Option eins ist, den Kindern die Grundregel­n des Tauchens beizubring­en. Sie wären auf sich selbst angewiesen, einer nach dem anderen, besonders durch einen schmalen Abschnitt, wo eine enge Begleitung durch Elitetauch­er nicht möglich wäre. Und alles ohne Sicht. Option zwei: Ein Schacht wird entdeckt, der zur Kammer der Eingeschlo­ssenen führt oder ausgebohrt werden kann. Dritte Option: Warten, bis die Regenzeit vorbei und Tham Luang wieder trocken ist.

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AFP Hunderte Helfer arbeiten im Bereich der Höhle an der Rettungsak­tion – hier wird eine Zufahrtsst­raße für schweres Gerät angelegt
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Keines der zwölf Kinder ist in Lebensgefa­hr, alle sind bei Bewusstsei­n – doch die Zeit drängt angesichts der Monsunzeit
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