Einigung trotz Abfuhr für Seehofer bei Kanzler Kurz.
Österreich erteilte den Abschiebeplänen von Deutschlands Innenminister Seehofer eine Absage. Am Abend einigten sich die Koalitionspartner in Deutschland dann auf ein Asylpaket.
Die Einigung auf schnellere Asylverfahren brachte am Abend des gestrigen Tages den Durchbruch im deutschen Asylstreit: Nach wochenlangem Machtkampf in der Union und Ärger in der deutschen Regierungskoalition haben sich CDU, CSU und SPD schließlich doch noch auf ein Paket gegen illegale Migration und eine Verschärfung der Asylpolitik verständigt.
Bewegung in die festgefahrenen Fronten hatte ein neuer Vorschlag der SPD gebracht, der über das hinausging, was zuvor auf dem Tisch gelegen war. Bis dahin war es vor allem um die Unionsvorschläge für verschärfte Maßnahmen gegen illegale Migration an der deutsch-österreichischen Grenze gegangen.
Jetzt soll im Laufe des Jah- auch noch ein Einwanderungsgesetz durchs Kabinett gebracht werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen – das war die zentrale Forderung der SPD. Und: Es werde keine nationalen Alleingänge geben und „keinerlei Lager“, betonte Fraktionschefin Andrea Nahles.
In Wien war es in den Stunden zuvor heiß hergegangen. Rund 20 Kameraleute rammten sich im stickigen Marmorecksalon des Bundeskanzleramtes gegenseitig die Ellbogen in die Rippen. Ging es doch um die besten Bilder des deutschen Gastes, der wortlos hinter der schweren, weißen Flügeltür des Kreiskyzimmers zu Gesprächen mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl (beide FPÖ) verschwand.
Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) war nach Wien gereist, um die Wogen mit den österreichischen Nachbarn zu glätten. Da der Kompromiss im erbitterten Asylstreit zwischen ihm und Kanzlerin Angela Merkel vorgesehen hatte, bestimmte Asylwerber an der deutsch-österres
reichischen Grenze nach Österreich abzuschieben, ging die heimische Regierung auf die Barrikaden. Man werde „keine Maßnahmen zum Nachteil Österreichs“akzeptierten, stellte Kurz klar.
Drei Tage und eine einstündige Unterredung später war plötzlich keine Rede mehr von diesem wesentlichen Bestandteil der Einigung zwischen den Schwesterparteien. „Wir werden weder jetzt noch in Zukunft Österreich für Flüchtlinge verantwortlich machen, für die es nicht zuständig ist“, erklärte Seehofer im Anschluss des Gesprächs vor den zahlreich anwesenden Medienvertretern. Stattdessen werde er nun Gespräche mit Griechenland und Italien führen, um die beiden Länder davon zu überzeugen, dort bereits registrierte Flüchtlinge zurückzunehmen.
Am Abend war es dann allerdings wieder anders: Deutschland beharre darauf, dass Öster- reich Asylwerber, deren Rücknahme von anderen EU-Staaten verweigert werde, zurücknehme, hieß es.
Schon bei seiner Haushaltsrede im Bundestag hatte Seehofer erklärt, dass bei einer so komplexen Materie ohnehin nur die Regierungschefs eine Einigung erzielen könnten. Damit spielt Seehofer den Ball zurück an die ebenfalls anwesende Kanzlerin, die ihren Unionskollegen keines Blickes gewürdigt hatte. Merkel hatte an diesem Tag ohnehin wenig zu lachen. Bei einem Treffen mit Ungarns Premier Viktor Orbán zeigte sich dieser empört über die deutsche Sicht auf Ungarns Migrationspolitik. „Es verletzt uns, wenn wir von Deutschland beschuldigt werden, dass wir keine Solidarität zeigen.“
Die Stimmung im Kanzleramt in Wien dürfte besser gewesen sein. Kurz überreichte Seehofer – anlässlich seines 69. Geburtstages – sogar eine Sachertorte. Der Bundeskanzler habe jedoch klargemacht, von seinem Veto nicht abrücken zu wollen. Im Anschluss des Gesprächs verkündete Seehofer aber eine andere Einigung. Man wolle nun gemeinsam die „Südroute für illegale Migration schließen“, auf der Flüchtlinge über Italien nach Österreich und Deutschland kommen.
Was nun aber mit bereits registrierten Flüchtlingen passieren soll, die die Union in „Transitlager“bringen und binnen 48 Stunden zurückschieben will, ist unklar, wenn Athen und Rom sich nicht zu Rücknahmen bereit erklären.