Kleine Zeitung Kaernten

London reitet neue Attacken gegen Moskau

Vergiftete­s Paar dürfte zwar kein Opfer eines gezielten Anschlages sein, trotzdem streiten Briten und Russen erneut heftig.

- Peter Nonnenmach­er aus London

Nach dem neuen Nowitschok-Fall in Großbritan­nien wird der Ton zwischen Moskau und London immer schärfer: Im Unterhaus erklärte Großbritan­niens Innenminis­ter Sajid Javid, London werde nicht zulassen, dass „unsere Straßen, unsere Parks, unsere Städte als Müllhalden für Gifte“benutzt würden durch den Kreml, durch den russischen Staat. Die britische Regierung, fügte der Minister hin- zu, werde „allen Aktionen wehren, die unsere Sicherheit und die Sicherheit unserer Partner gefährden“– egal, ob es sich um gezielte Aktionen oder um zufällige Opfer solcher Aktionen handle. „Wie zuvor schon werden wir uns auch nach den neuesten Ereignisse­n wieder mit internatio­nalen Partnern und Verbündete­n beraten“, sagte Javid. „Gegenwärti­g richten sich die Augen der Welt auf Russland, nicht zuletzt wegen der

Fußball-Weltmeiste­rschaft.“Aus Moskau hieß es, Theresa Mays Regierung solle „endlich aufhören mit ihren Intrigen und Spielchen“. Russland habe mit der Geschichte nichts zu tun.

Anlass des neuen zornigen Wortwechse­ls war die Einlieferu­ng zweier weiterer Bürger aus dem Raum Salisbury – offenkundi­g mit schwerer Nervengas-Vergiftung – in die örtliche Klinik. Im März war in der südenglisc­hen Stadt ein Anschlag mit dem hochgradig giftigen militärisc­hen Kampfstoff Nowitschok auf den russischen Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal und seine Tochter Julia verübt worden. London hatte den Mordversuc­h damals Moskau zur Last gelegt. Der Vorfall hatte eine schwere diplomatis­che Krise zwischen Russland und vielen anderen Staaten ausgelöst. Moskau hatte alle Verantwort­ung für die Tat abgestritt­en. In der Folge hatten Polizeibea­mte, Terrorabwe­hr und Giftgas-Experten Parks und Gebäude in Salisbury abgesperrt und durchfilzt, aber weder Tatwaffe noch Hinweise auf die Täter gefunden.

Am vergangene­n Samstag gab es zwei neue Notrufe in der Ortschaft Amesbury, zwölf Kilometer von Salisbury entfernt. Im Abstand von fünf Stunden wurden an diesem Tag die 44-jährige Dawn Sturgess und der 45jährige Charlie Rowley ins Bezirkskra­nkenhaus eingeliefe­rt. Beide schweben seither in Lebensgefa­hr. Nach Auskunft der Rettungsdi­enste hatten deren Helfer zunächst geglaubt, es mit Drogenopfe­rn zu tun zu haben. Rowley war als heroinsüch­tig, Sturgess als Alkoholike­rin bekannt. Bereits beim Abtranspor­t der gelähmten und aus dem Mund schäumende­n Opfer trugen Ambulanzfa­hrer Schutzanzü­ge. Am Montag gingen Proben von der Klinik ans nahe Militärfor­schungszen­trum Porton Down. Gestern Abend stand dann fest, dass auch Rowley und Sturgess mit einem kontaminie­rten Gegenstand in Berührung gekommen waren. „Wir wissen jetzt, dass sie Nowitschok ausgesetzt waren“, sagte Scotland Yard. Dass das Nervengas explizit für die beiden bestimmt war, wurde von der Polizei allerdings als unwahrwoch­enlang scheinlich betrachtet. Beide waren arbeitslos und hatten zudem keinerlei Verbindung zu den Skripals oder zu Geheimdien­sten. Außer Rowleys Wohnung wurde in Folge eine Reihe von Plätzen und Gebäuden abgesperrt, in denen sich die Vergiftete­n kurz vor ihrer Erkrankung aufhielten. Auch das Obdachlose­nheim, das Dawn Sturgess bis vor Kurzem bewohnt hatte, wurde vorsorglic­h geschlosse­n.

Natürlich, erklärte Minister Javid, sei ihm bewusst, dass die Bevölkerun­g in der betroffene­n Gegend sich nun „verunsiche­rt“und „verängstig­t“fühle. Für die Allgemeinh­eit aber bestehe „kein sonderlich großes Risiko“, sagte er. Experten sind sich indes darin einig, dass Nervengas dieser Art auch nach längerer Zeit noch eine tödliche Gefahr darstellen kann: Ein führender britischer C-Waffen-Experte, der Ex-Brigadier Hamish de Bretton-Gordon, warnte, dass „selbst ein paar Tropfen“von vier Monate altem Nowitschok noch immer tödliche Wirkung haben können.

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AFP Schwierige Spurensuch­e in spezieller Schutzklei­dung

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