Verändert diese Regierung das Antlitz Österreichs?
Ich musste ehrlich gesagt ein wenig über die Frage schmunzeln, die man uns diesmal gestellt hat. Verändert diese Regierung das Antlitz Österreichs? Na hoffentlich, möchte man einerseits sagen, weil ja eine Regierung, die nichts ändert, auch nichts taugt. Wirklich irritiert hat mich die Verwendung des Begriffs „Antlitz“. Man kennt das ja nur aus der religiösen Ikonografie (wir müssen jetzt nicht gleich über das Grabtuch von Turin reden, aber Sie wissen, was ich meine) oder aus der von Emmanuel Levinas inspirierten Gefühlsphilosophie des Alain Finkielkraut („Die Weisheit der Liebe“). Ein paar Naturmystiker reden auch immer wieder vom Antlitz der Erde. Aber über das Antlitz Österreichs hab ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht. Sie, Thurnher?
Als Krausianer konnte ich nicht umhin. Bei ihm dient das österreichische Antlitz als Inbegriff einer selbstgefälligen Gemütlichkeit, hinter der sich eine besonders gemeine Herzlosigkeit verbirgt. Ich erinnere mich an das Bild eines Henkers, der grinsend einen von ihm Gehenkten in die Kamera hält, oder an Texte über einen monarchistischen Beamten, der einem Ministerpräsidenten zur Hand geht, der sich vornehmlich mit Zeitunglesen beschäftigt. Hier wird auf den Kontrast zwischen der edlen Möglichkeit des menschlichen Antlitzes und der Fratze angespielt, die es in Wirklichkeit bietet. Wir könnten also auch über das mögliche Gesicht eines Landes und dessen PR-Inszenierung reden.
Klar, mit Fratze und Antlitz lässt sich gut spielen. Interessanterweise verwenden solche Bilder vor allem die Leute, die der jetzigen Regierung ihre populistischen Inszenierungen vorwerfen. Mir sagt dieser Mummenschanz wenig, ich finde das angstlüsterne Gewäsch von der angeblichen Orbánisierung Österreichs einfach nur lächerlich. Heute früh habe ich im Morgenjournal gehört, dass die vorgezogene Novelle des Arbeitszeitgesetzes aus der Sicht der Gewerkschaftsfraktion ein Fanal für die Republik sei, weil es sich um den ersten Gesetzesbeschluss handle, der „nichtsozialpartnerschaftlich“zustande gekommen ist. Ja Wahnsinn, wenn inzwischen eine parlamentarische Mehrheit für einen Gesetzesbeschluss reicht, müssen wir ja wirklich schon knapp an der Diktatur vorbeischrammen.
Ich denke, ein gutwilliger Mensch möchte die Sozialpartnerschaft modernisieren, nicht zerstören. Dabei wären unter zivilisierten Menschen gewisse dialogische Übereinkünfte einzuhalten. Aber bleiben wir beim Antlitz. Das Ansehen, hätte man früher gesagt, heute vielleicht das Image. Wir brauchen nicht drum herumzureden. Das Antlitz Österreichs ist rosig, volllippig, mit zurückgegelten Haaren, aurikulär-angulär leicht herausgefordert, was seinen Charme als Antlitz nur steigert (keine Schönheit ohne Imperfektion). Man lädt es gern in Talk-Shows, es ist TV-gerecht, Social-Media-gepusht, leicht übercoacht und es spricht mit einer Stimme: Wir sind das Land, das aus staatsrechtlichen Selbstverständlichkeiten eine Ideologie macht – Grenzen dicht.
Die Sozialpartner haben vor einem Jahr, noch von der alten Regierung, den Auftrag bekommen, eine Lösung zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung zu erarbeiten. Sie haben es naturgemäß nicht geschafft, weil sie keine Problemlösungsinstitution, sondern eine Status-quo-Erhaltungsmaschine sind. Jetzt so zu tun, als ob durch ihre Nichteinbindung die Demokratie gefährdet wäre, ist ziemlich affig. Etwas herausgefordert finde ich auch Ihren Zugang zu Antlitz und Image, um ehrlich zu sein. Jemandem autoritäre Züge (auch eine mögliche Paraphrase für Antlitz übrigens, der Engländer würde eventuell auch „feature“sagen) vorzuwerfen und ihn dann als Personifikation Österreichs vorzustellen (natürlich auf eine Weise, die man im umgekehrten Fall als politisch inkorrektes „faceshaming“denunzieren würde), finchristdemokratischen