Kleine Zeitung Kaernten

Welche Märchen Kinder brauchen

Nina Blum inszeniert seit 13 Jahren Märchen für Kinder. Warum für sie diese Erzählform kein Ablaufdatu­m hat.

- Von Petra Prascsaics

Nicht immer waren sich Pädagogen darin einig, ob Märchen unseren Kindern zumutbar sind. Vor allem die 68er-Generation sah darin schwarze Pädagogik, durchtränk­t mit überkommen­en Moralvorst­ellungen, martialisc­h und damit ungeeignet, um Kindern das Richtige mit auf den Weg zu geben. Erst der US-amerikanis­che Psychoanal­ytiker Bruno Bettelheim brach eine Lanze für die Gebrüder Grimm und Co. Märchen wüssten viel von den Nöten eines Heranwachs­enden und bereiteten gute Lösungsweg­e vor, schrieb er in seinem Buch „Kinder brauchen Märchen“, erschienen 1976.

Märchen haben kein Ablaufdatu­m, ist auch Nina Blum, Schauspiel­erin und Psychologi­n, überzeugt. 2006 hat sie den Märchensom­mer ins Leben gerufen, ein interaktiv­es Wandermärc­hentheater, das seither jeden Sommer im Schloss Poysbrunn im Weinvierte­l und seit fünf Jahren auch in Graz Station macht. Heuer mit dem Stück „Der Zauberer von Oz“. Es ist zum einen das Zeitlose, das Blum an dieser Erzählform fasziniert, zum anderen das Spierin

mit archaische­n Urthemen. „Im Märchen werden die Grundtheme­n des Menschsein­s beleuchtet, sei es die Suche nach dem Glück, nach der wahren Bestimmung oder der Kampf Gut gegen Böse.“

Neuen Märchensto­ff erfinden

oder klassische Erzählunge­n mit neuen Facetten anreichern, beides sieht die Theatermac­he- als spannende Herausford­erung. Wobei die hohe Kunst beim Theater für Kinder darin besteht, das junge Publikum zu begeistern. „Kinder sind gnadenlos, sobald es langweilig wird“, weiß Blum. Ihr Gegenmitte­l: eine moderne, poppige Inszenieru­ng, fantastisc­he Figuren und Passagen, die Kinder zum Mitsingen, Mittanzen, Mitraten einladen. Was Kinder aulen

Smartphone­s und Tabletsneh­menden Kindern den Raum für Fantasie. Doch das brauchen sie für ihre Entwicklun­g, auch heute noch. Nina Blum, Schauspiel­erin und Intendanti­n des Märchensom­mers

ßerdem brauchen, ist der Kampf Gut gegen Böse. „Das ist das Märchenges­etz“, sagt Blum, „denn genau diese Spannung zieht Kinder ins Geschehen hinein.“Abgesehen von der Inszenieru­ng legt die Intendanti­n des Märchensom­mers auch höchsten Wert auf Figuren, die ins Jetzt passen. Daher ist Dorli im aktuellen Stück auch kein liebes Mädchen wie in der ursprüngli- chen Version, sondern „eine weibliche Version von Harry Potter, frech, mutig, ein bisschen nerdig, mit Brille und einem Plan“, beschreibt Blum diese Figur. Was sie nicht will: Stereotype produziere­n. Dazu sei ihr der Auftrag, den sie am jungen Publikum zu erfüllen hat, zu wichtig: „Ich will keine Figuren zeichnen, die ich in unserer Gesellscha­ft nicht mehr sehe.“

Nur das Thema Digitalisi­erung

will die Schauspiel­erin in Stücken, die sie inszeniert, nicht aufgreifen: „Ich sehe ständig Kinder, die mit einem Smartphone oder Tablet beschäftig­t sind. Das ist für mich eine schrecklic­he Entwicklun­g. Diese Geräte nehmen Kindern den Raum für die Fantasie. Doch genau das brauchen sie für ihre Entwicklun­g, auch heute“, ist die Psychologi­n und Mutter einer Tochter überzeugt. Kinder, die sich interaktiv über ein iPad oder Smartphone in das Märchen einbringen, wird es beim Märchensom­mer so schnell nicht geben, „zumindest nicht, solange ich dafür verantwort­lich bin“, betont Blum.

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KK, MARTIN HESZ Nina Blum mit ihrer Tochter Elsa
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