Kleine Zeitung Kaernten

Was man von Versagern lernen kann

Jeder Unternehme­r spricht über den Erfolg, aber keiner über das Scheitern. Wir haben uns angesehen, wie die „Fuckup Nights“die Niederlage feiern.

- Von Kathrin Fischer

Bum! Das Publikum schreckt hoch, als sich Thorsten Kondla ohne Vorwarnung auf den Boden wirft. „Manchmal muss man auch loslassen können“, hat ihn sein Leben gelehrt. Man dürfe sich selbst nur niemals aufgeben, ruft Kondla dem Publikum zu. Hinfallen, und wieder aufstehen, das hat er selbst erlebt. Vor einigen Jahren schlittert­e der ehemalige Modeboutiq­ue-Besitzer geradewegs in die Insolvenz. Der Anfang vom Ende war ein Internetve­rsandhande­l mit Luxusmarke­nware. Dabei ist ihm nur ein Denkfehler unterlaufe­n: Die Klientel, die Lu- kauft, macht das nicht im Internet. „Das Netz ist ein Ort, wo man irre schnell viel Geld verdienen kann, oder ganz schnell irre viel Geld verlieren kann“, weiß er heute. Aus seinen Fehlern hat er gelernt. Deshalb ist Thorsten Kondla hier. Er ist einer von drei Vortragend­en bei der fünften Auflage der Grazer „Fuckup Nights“. Was auf Deutsch so viel heißt wie „Die Nächte des Scheiterns“. Auf die Bühne dürfen hier nur jene, die schon einmal ein Projekt oder gar ein Unternehme­n mit Vollgas gegen die Wand gefahren haben.

Auch Gerhard Scheucher ist einer von ihnen. Falsche Investitio­nen, hohe Verluste und jetzt schreibt der Grazer Autor Bücher über das Scheitern. So zeichnet er seinen Lebensweg in den Räumlichke­iten des „Aula x space“nach.

Auf der Bühne fallen ihm zahlreiche Beispiele für prominente Versager ein. James Dyson etwa – der Erfinder des beutellose­n Staubsauge­rs – baute 4116 Prototypen, bevor er mit der Nummer 4127 die Marktreife erlangte. „Sehen Sie sich doch auf Wikipedia die Lexuswaren

bensläufe der Nobelpreis­träger an“, fordert er die Zuhörer auf. „Das sind alles Biografien des Scheiterns.“Es sei immer nur von Innovation die Rede, über das Risiko würde niemand sprechen.

Hier bei den „Fuckup Nights“ist das der Punkt, um den sich letztlich alles dreht: das Scheitern zum Thema zu machen, es in all seinen Facetten hochleben zu lassen und es als Chance zu begreifen, es das nächste Mal anders zu machen. Geboren haben die Idee der „Fuckup Nights“fünf Freunde in Mexiko in einer alkoholdur­chtränkten Nacht. Weil sie die immer gleich klingenden Erfolgsges­chichten anderer Unternehme­r langweilte­n, planten die fünf eine Gegenbeweg­ung. Das Konzept ging auf.

Die Party der Gescheiter­ten wird inzwischen weltweit in 80 Ländern und 274 Mitgliedst­ädten gefeiert. Nach Österreich geholt hat sie Salomé Wagner im Jahr 2015, sie etablierte sie in Wien. Seit rund einem Jahr organisier­t sie die Franchise-Reihe gemeinsam mit Lisa Steindl auch in Graz. Dort haben sich im Laufe der bisher fünf Veranstalt­ungen bis zu 450 Zuschauer die Lebensgesc­hichten und Ratschläge der Bühnenredn­er angehört, darunter Studenten, Unternehme­r und auffällig auch einige ältere Menschen. Ein Abend ganz im Zeichen des Versagens lockt zwischen 80 und 120 Gäste an. Am Ende jedes Vortrages schnellen die Hände der Zuhörer in die Höhe. Es haben sich viele Fragen aufgetan. Der Raum füllt sich merkbar mit Wertschätz­ung. Denn zu wissen, dass das Scheitern ein Bestandtei­l des Lebens ist, ist eine Sache. Darüber zu reden, eine andere.

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CHRISTINE RECHLING (2) Schöner scheitern: die „Fuckup Nights“in Graz
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Über das Loslassen: Thorsten Kondla ist einer der Vortragend­en

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