Was man von Versagern lernen kann
Jeder Unternehmer spricht über den Erfolg, aber keiner über das Scheitern. Wir haben uns angesehen, wie die „Fuckup Nights“die Niederlage feiern.
Bum! Das Publikum schreckt hoch, als sich Thorsten Kondla ohne Vorwarnung auf den Boden wirft. „Manchmal muss man auch loslassen können“, hat ihn sein Leben gelehrt. Man dürfe sich selbst nur niemals aufgeben, ruft Kondla dem Publikum zu. Hinfallen, und wieder aufstehen, das hat er selbst erlebt. Vor einigen Jahren schlitterte der ehemalige Modeboutique-Besitzer geradewegs in die Insolvenz. Der Anfang vom Ende war ein Internetversandhandel mit Luxusmarkenware. Dabei ist ihm nur ein Denkfehler unterlaufen: Die Klientel, die Lu- kauft, macht das nicht im Internet. „Das Netz ist ein Ort, wo man irre schnell viel Geld verdienen kann, oder ganz schnell irre viel Geld verlieren kann“, weiß er heute. Aus seinen Fehlern hat er gelernt. Deshalb ist Thorsten Kondla hier. Er ist einer von drei Vortragenden bei der fünften Auflage der Grazer „Fuckup Nights“. Was auf Deutsch so viel heißt wie „Die Nächte des Scheiterns“. Auf die Bühne dürfen hier nur jene, die schon einmal ein Projekt oder gar ein Unternehmen mit Vollgas gegen die Wand gefahren haben.
Auch Gerhard Scheucher ist einer von ihnen. Falsche Investitionen, hohe Verluste und jetzt schreibt der Grazer Autor Bücher über das Scheitern. So zeichnet er seinen Lebensweg in den Räumlichkeiten des „Aula x space“nach.
Auf der Bühne fallen ihm zahlreiche Beispiele für prominente Versager ein. James Dyson etwa – der Erfinder des beutellosen Staubsaugers – baute 4116 Prototypen, bevor er mit der Nummer 4127 die Marktreife erlangte. „Sehen Sie sich doch auf Wikipedia die Lexuswaren
bensläufe der Nobelpreisträger an“, fordert er die Zuhörer auf. „Das sind alles Biografien des Scheiterns.“Es sei immer nur von Innovation die Rede, über das Risiko würde niemand sprechen.
Hier bei den „Fuckup Nights“ist das der Punkt, um den sich letztlich alles dreht: das Scheitern zum Thema zu machen, es in all seinen Facetten hochleben zu lassen und es als Chance zu begreifen, es das nächste Mal anders zu machen. Geboren haben die Idee der „Fuckup Nights“fünf Freunde in Mexiko in einer alkoholdurchtränkten Nacht. Weil sie die immer gleich klingenden Erfolgsgeschichten anderer Unternehmer langweilten, planten die fünf eine Gegenbewegung. Das Konzept ging auf.
Die Party der Gescheiterten wird inzwischen weltweit in 80 Ländern und 274 Mitgliedstädten gefeiert. Nach Österreich geholt hat sie Salomé Wagner im Jahr 2015, sie etablierte sie in Wien. Seit rund einem Jahr organisiert sie die Franchise-Reihe gemeinsam mit Lisa Steindl auch in Graz. Dort haben sich im Laufe der bisher fünf Veranstaltungen bis zu 450 Zuschauer die Lebensgeschichten und Ratschläge der Bühnenredner angehört, darunter Studenten, Unternehmer und auffällig auch einige ältere Menschen. Ein Abend ganz im Zeichen des Versagens lockt zwischen 80 und 120 Gäste an. Am Ende jedes Vortrages schnellen die Hände der Zuhörer in die Höhe. Es haben sich viele Fragen aufgetan. Der Raum füllt sich merkbar mit Wertschätzung. Denn zu wissen, dass das Scheitern ein Bestandteil des Lebens ist, ist eine Sache. Darüber zu reden, eine andere.