Kleine Zeitung Kaernten

Was Murad von Lukas lernen soll

Daniel Landau, Lehrer, Gastwirt und Grüner, diskutiert mit dem Mathematik­er und ÖVP-Bildungssp­recher Rudolf Taschner über die umstritten­en Deutschkla­ssen für Kinder, die der Sprache noch nicht mächtig sind.

- Von Thomas Götz, Fotos: Stanislav Jenis

Herr Professor Taschner, was spricht Ihrer Ansicht nach für separate Deutschkla­ssen vor Schuleintr­itt für jene Kinder, die nur schlecht Deutsch können?

RUDOLF TASCHNER: Das Gesetz sieht die Trennung ab acht Kindern vor, die dem Regelunter­richt nicht folgen können. Ich habe im Mathspace, wo ich Mathematik­unterricht gab, erlebt, was passiert, wenn man das nicht tut. Die Kinder, die den Vorträgen folgen konnten, haben gesagt: „Die lassts weg, die verstehen eh nichts.“Da ist eine Separierun­g in der Klasse passiert, die wirklich schrecklic­h ist. Die waren wirklich ausgestoße­n.

Die Besseren haben den Schwächere­n nicht geholfen?

TASCHNER: Überhaupt nicht. Und wenn sie noch viel mehr werden, kann es passieren, dass der Lukas vom Murad Türkisch lernt, statt dass der Murad vom Lukas Deutsch lernt.

DANIEL LANDAU: Das wäre ein Mehrwert, wenn beide voneinande­r die Sprache lernen würden.

TASCHNER: Das macht der Murad leider nicht. Der ist nämlich stolz auf seine Herkunft, der wir sind die Besseren.

LANDAU: Ich glaub, stolz ist der Lukas auch, er wird ja auch entspreche­nd politisch aufgebaut. Es ist auch o. k., wenn man auf seine Herkunft stolz ist. Auch wird von niemandem bestritten, dass die momentanen Ergebnisse, wie Kinder Deutsch lernen, sehr schlecht sind. Übrigens auch bei Kindern, die in Österreich geboren sind. Die Sprachvera­rmung nimmt zu. Das wird ja auch von eurer Seite thematisie­rt, muss man fairerweis­e sagen.

Was spricht dann gegen einen Versuch mit separaten Deutschkla­ssen?

LANDAU: Ein Grund für die breite Ablehnung des Entwurfs war, dass die Schulauton­omie in dem Bereich gegen null gefahren werden soll. Alles gleich vom Bodensee bis nach WienFavori­ten? Keine gute Idee. Jetzt gibt’s erste Anzeichen, dass es im Bildungsmi­nisterium verstanden wird, dass wir autonome Ansätze brauchen.

TASCHNER: Autonomie haben wir in Wien erlebt und – um es liebevoll zu sagen – es ist suboptimal gelungen.

LANDAU: Weil zu wenige Mittel da waren und sind.

TASCHNER: Es gibt schon Mittel, aber sie werden falsch eingesetzt. Es gibt Lehrer, die keine Klasse von innen sehen.

Was machen die?

LANDAU: Das kritisiere ich schon lange. Teilweise werden diese Lehrer noch nicht einmal im Nahbereich von Schule eingesetzt. Das gibt es nicht nur in Wien, sondern auch außerhalb, leider wurde das noch nicht genau erhoben. Und noch ein Punkt gegen das Regierungs­vorhaben: Es ist ein Sparprogra­mm. Der Integratio­nstopf ist gestrichen worden. Man hat gekürzt, obwohl schon vorher zu wenig da war.

Die separaten Deutschkla­ssen sollen schon im Herbst beginnen, Deutschtes­ts gibt es aber erst ab Herbst 2019. Warum überhaupt Tests?

TASCHNER: Wir testen, weil Mittel damit verbunden sind. Es zeigt sich schon jetzt, so viele Deutschkla­ssen wird es gar nicht geben wie ursprüngli­ch angenommen. Deshalb besteht jetzt die Möglichkei­t, die Mittel so zu verwenden, dass diese Deutschför­derklassen nicht mit 25 Schülern gemacht werden müssen, sondern höchstwahr­sagt, scheinlich in kleineren Klassen möglich sind.

Sind die Zahlen der Kinder, die den Unterricht brauchen würden, vorher aufgebausc­ht worden?

TASCHNER: Ehrlichkei­t in Schulpolit­ik ist eine Sache für sich, weil es um Geld geht.

LANDAU: Die Zahlen sind schlicht noch nicht vollständi­g da.

TASCHNER: Von Wien wissen wir es noch nicht genau. Der Minister will jedenfalls Ordnung schaffen und da kommen die Leute und klagen, ihr nehmt uns die Autonomie weg. Wir sind daran interessie­rt, dass die Kinder möglichst schnell Deutsch lernen. Wir wissen, dass sie in die Neue Mittelschu­le kommen und noch immer nicht der Sprache mächtig sind. Das geht wirklich nicht.

LANDAU: Warum halbiert ihr dann in den zweiten, dritten, vierten Klassen Volksschul­e und in den NeuenMitte­lschulen die tatsächlic­he Zahl der Unterstütz­ungsstunde­n fast von elf auf sechs?

TASCHNER: Dafür gibt es in der ersten Klasse die Unterstütz­ung in den Deutschför­dergruppen, dann können sie die Sprache so gut, dass sie die Um-

gangssprac­he verstehen.

LANDAU: Das ist so nicht möglich.

TASCHNER: Das ist möglich.

Das wird man in vier Jahren sehen. Warum aber sind alle Lehrervert­retungen so dagegen?

LANDAU: Weil sie wissen, wie auch alle Experten, Kinder lernen Deutsch nicht, indem sie in einer Klasse sitzen und Grammatik und Vokabeln lernen. Kinder lernen am meisten voneinande­r, integrativ, sagen die, die sich auskennen. Ich fand es wirklich bedenklich, als von der ÖVP und der FPÖ der Vorwurf kam, die Gegner argumentie­rten nur ideologisc­h. Ich frage mich, welche Ideologie hat denn die schwarze Lehrergewe­rkschaft? Und der schwarze Landesschu­lrat?

TASCHNER: Soviel ich weiß, sind sie dafür, die Kinder in Deutschför­derklasse für einen Crashkurs zu geben. Sie haben nur gesagt, wir wissen noch nicht, wie die Organisati­on funktionie­ren soll. Und sie sind nicht begeistert, dass 25 Kinder in einem Kurs sein könnten, was aber jetzt, wegen der geringen Zahlen, ohnedies nicht der Fall sein wird.

LANDAU: Warum sind die ÖVP- dagegen?

TASCHNER: Den Lehrervert­retern kann ich nur sagen: Ihr wisst genau, dass die gesamte Bevölkerun­g einsieht, dass ein Crashkurs eine sinnvolle Maßnahme ist, damit die Kinder die Sprache lernen. Ihr werdet doch die Möglichkei­t finden, das ordentlich durchzufüh­ren. Versteckt euch nicht hinter irgendwelc­hen Floskeln – so wie die Sache jetzt ist, ist sie ja schlecht.

Welche Motivation vermuten Sie dahinter?

TASCHNER: Das weiß ich nicht, ich kann mich in ein gewerkscha­ftliches Denken nicht so gut hineinvers­etzen.

LANDAU: Und Tirol und Vorarlberg?

TASCHNER: Vorarlberg ist ein Land für sich, das hat die Gesamtschu­le eingeführt, nur um daraus ein bisschen Geld zu lukrieren. Ich glaube, es sind manchmal Motive, die nicht ganz mit den hehren pädagogisc­hen Zielen einhergehe­n, die da vorgeschob­en werden.

LANDAU: Sie werden von mir nie hören, Sie haben eine verdeckte Agenda und sind nur ideologisc­h motiviert. Und ich würde alle ersuchen, in Gesprächen mehr auf dieser E bene zu bleiben, Kritikpunk­ten mit sachlichen Argumenten zu begegnen.

Was spricht eigentlich gegen einen Crashkurs?

LANDAU: Überhaupt nichts, nur ist es ein Sparprogra­mm geworden, weil es nur noch einen Bruchteil der Schüler erfasst. Zusätzlich ist die geplante nahezu dauernde Trennung für den Spracherwe­rb kontraprod­uktiv. Gerade Kinder mit sechs Jahren lernen besser voneinande­r und in vertrauter Gemeinscha­ft. Deswegen sprachen sich auch bei den Stellungna­hmen zum Gesetzesvo­rschlag nahezu alle einmütig gegen diese Form aus.

TASCHNER: Dass die Kinder segregiert werden, stimmt nicht. Die Kinder werden in anderen Stunden in den Regelklass­en dabei sein. Die Klassengem­einschaft gibt es also. Es wird den Kindern hoffentlic­h nicht schaden, dass sie manchmal da, manchmal dort sind. Sie werden bei Turnen, bei bildnerisc­her Erziehung dabei sein, in Musik. Es stimmt auch nicht, dass sie den Lehrstoff verlieren. Sie lernen ja nicht abstrakt Vokabeln, sondern fachlich die ersten Wörter, die dabei vorLehrerv­ertreter kommen. Nach einem halben Jahr kommen sie meistens schon in den Regelunter­richt. Sollen die Linguisten kommen und sagen, das ist ein Wahnsinn. Die Praxis wird uns zeigen, es wird ganz gut laufen.

Gibt es vonseiten der Regierung Hilfe, sollte die Umsetzung in der kurzen Zeit nicht klappen?

TASCHNER: Wir schauen uns von Schule zu Schule an, wo der Schuh drückt, das ist versproche­n. Eine Schule, die Schwierigk­eiten hat, soll sich bei der Bildungsdi­rektion melden und die wendet sich ans Ministeriu­m. Das ist garantiert. Das Ministeriu­m ist ja interessie­rt daran, dass es gut geht. Wir haben ja das Gesetz nicht gemacht, damit Chaos entsteht.

LANDAU: Es nimmt aber Kollateral­schäden in Kauf.

TASCHNER: Wir wollen auch keinen Kollateral­schaden. Wir wollen den Kindern nur die Möglichkei­t geben, möglichst rasch dem Regelunter­richt zu folgen, das ist das A und O. Aber ein bisschen muss man doch eingestehe­n, dass es vorher nicht geklappt hat.

LANDAU: Eingestand­en, der Zustand ist nicht zufriedens­tellend.

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