Wir hinterlassen einen bleibenden Eindruck
Marco d’Eramo analysiert, wie der Tourismus die Welt verändert.
Erst im Nachwort rückt der Autor Marco d’Eramo mit der Sprache heraus, was im ersten Teil des Buches ohnehin nicht zu verstecken war, nämlich seine Tendenz, „den Tourismus zum einfachen Sündenbock für jede Verfehlung der Moderne zu machen“. Doch der Italiener hat schnell erkannt, dass wir heutzutage keine Entdecker mehr sein können, weil die Welt von hinten bis vorne abgegrast ist. Aber die Touristenmasse, die sich wie ein Fischschwarm über den Globus treiben lässt, ist ein ewig sprudelnder Quell an Erkenntnissen. Ganz falsch ist es also nicht, wenn der Autor vom „Zeitalter des Tourismus“spricht. Denn der Tourismus ist nicht nur monetär eine Weltmacht, sondern drückt der Welt in unterschiedlichsten Schattierungen ihren Stempel auf. In 15 Kapiteln arbeitet er sich an vielen Facetten des Tourismus ab, lässt ausreichend Philosophen, Soziologen und Kulturwissenschaftler zu Wort kommen. Und stellt spannende Fragen: War die Grand Tour, die klassische Bildungsreise, noch wichtiger Bestandteil des kulturellen Kapitals, dient das Reisen heute überhaupt noch einem Bildungszweck?
Marco d’Eramo, Journalist und Gründungsmitglied der Zeitung „Il Manifesto“, zeigt auch auf, was Tourismus zerstören kann, und richtet den Blick auf jene Städte, die von Touristen geradezu überrannt werden. Wo ganze Viertel durch Wohnungsvermietung aussterben, wenn die Infrastruktur für das tägliche Leben flöten geht. Denn welcher Tourist braucht schon einen Schuster? „Als Ort zum Wohnen und Leben wird die Touristenstadt für den Einheimischen mit der Zeit unlebbar.“Auch eine kleine Hausaufgabe für den nächsten Urlaub empfiehlt sich: Wie oft halten wir Ausschau nach dem scheinbar Typischen eines Landes? Und sind wir nicht auch genau damit zufrieden, weil es unsere – von der Idee eines Landes konstruierten – Sehnsüchte stillt? Der Mensch, er ist ein feines Versuchstier. Gerade im Urlaub ist er ein offenes Buch, das vielleicht hin und wieder den Reiseführer beiseitelegen sollte. Soll etwas Schlimmeres passieren, als dass sich der Blickwinkel ändert.