Die Urlaubslaune
wird schon durch den Blick nach oben getrübt: überall Kondensstreifen. Sie verweisen auf eine aus den Fugen geratene Mobilität. Wenn jetzt auch Asiens Mittelschichten reisen, ist das Weltklima am Ende.
Wir haben den ungetrübten Himmel verloren: Wer den Häuserschluchten entflieht und im freien Gelände nach oben blickt, sieht fast immer Kondensstreifen. Sie sind allgegenwärtige Wahrzeichen der Unrast, Symbole einer aus den Fugen geratenen Mobilität.
Dabei fängt die rastlose Raserei um den Erdball gerade erst an. Die Flugzeugflotte wird sich bis in 20 Jahren mehr als verdoppeln, sagt eine Studie. Fast 50.000 Flieger soll es bald geben, 540.000 Piloten werden gesucht. Fliegen ist die umweltschädlichste Reiseart, aber billig und daher beliebt. Das ist der freie Markt und ein bisserl auch das steuerfreie Flugbenzin.
Oder Kreuzfahrten: Die Schiffe werden immer mehr und immer wuchtiger. In Venedig überragen sie unerträglich die Silhouette. Aber lustig ist halt die Apartheid an Bord, wo im Bauch des Schiffes die Abfälle und Fäkalien verschwinden und auch die Schufterei der Verdammten sorgsam verborgen wird, während oben die Kapelle spielt. Titanic in Neuaufnahme, diesmal ohne Eisberg, denn der ist längst weg.
Gelangweilte Massen wälzen sich durch Innenstädte und über barrierefrei einbetonierte Berggipfel. Hält die Erde diese enthemmte Mobilmachung aus? Man muss schon sehr gut wegschauen können, um das zu glauben. Klimawandel und Wetterextreme künden lauthals vom Gegenteil.
Aber wir Globetrotter lassen uns unsere Urlaubslaune nicht sauertöpfisch vermiesen. Wir sammeln fröhlich Miles & More, posten braun gebrannt Bilder unter Palmen. Auch wenn man sonst angeblich sozial denkt, muss man doch weltweit wandern, golfen und auf Safari gehen dürfen. Sydney, Johannesburg und den Taj Mahal muss man gesehen haben.
Bei Lebensmitteln achten wir auf Regionalität, Obst aus Spanien ist verdächtig. Nur der Mensch selbst räumt sich das Recht auf weiteste Transportwege ein. Massenmigration gilt als Menschenrecht (zumindest nach Süden im Urlaub) und als Veredelung des Geistes obendrein. Wer sich verweigert, ist dumpf, provinziell, träge.
Bisher waren zum Glück nur einige Millionen Privilegierte unterwegs, ihr Reisen war eine Manifestation globaler Ungleichheit. Das wird jetzt anders. In Asien schließen Milliarden Menschen zur Mittelschicht auf, haben plötzlich verfügbare Einkommen. In Österreich geht bald der geburtenstärkste Jahrgang 1963 in Pension – und damit auf Reisen. Hoffentlich fragen uns unsere Enkel nie das, was wir unsere Großeltern gefragt haben: ob ihnen der ganze Wahnsinn wirklich niemals aufgefallen ist.