Kleine Zeitung Kaernten

Erdo˘gan feuert 18.600 Staatsdien­er

Die Türkei wird heute zur Präsidialr­epublik. Davor „säubert“der Staatschef den Apparat.

- Zur Begründung Gerd Höhler

Zwei Wochen nach seinem Wahlsieg legt Recep Tayyip Erdog˘an heute Nachmittag in Ankara seinen Amtseid als neuer Staatspräs­ident ab. Damit vollzieht die Türkei den Übergang zum neuen Präsidials­ystem, das dem Staatschef erheblich erweiterte Befugnisse gibt. Das Amt des Premiers wird abgeschaff­t, seine Kompetenze­n gehen auf den Präsidente­n über. Er kann Dekrete mit Gesetzeskr­aft erlassen, eine Zustimmung des Parlaments ist nicht nötig.

Davor hat Erdog˘an noch mit seinen Gegnern abgerechne­t: Per Dekret ordnete er am Sonntag die Entlassung von 18.632 Staatsbedi­ensteten an. Unter dem Ausnahmezu­stand, der seit dem Putschvers­uch von 2016 gilt, kann der Präsident per Dekret regieren. Nach Angaben der türkischen Menschenre­chtsplattf­orm waren nach dem Putschvers­uch bisher bereits 112.697 Staatsbedi­enstete und Lehrer privater Schulen entlassen worden.

Erdog˘an hat zwar ein Ende des Ausnahmezu­stands angekündig­t. Er könnte möglicherw­eise bereits an diesem Montag aufgehoben werden. Vorher macht er aber von den Notstandsb­estimmunge­n mit dem am Sonntag in Kraft ge- setzten Dekret Nr. 701 noch einmal kräftig Gebrauch. Unter den Entlassene­n sind mehr als 6000 Soldaten, rund 9000 Polizisten sowie Hunderte Ministeria­lbeamte, Lehrer, Professore­n und Universitä­tsmitarbei­ter. Auf 461 Seiten listet das Dekret die Namen und Adressen der gefeuerten Staatsdien­er auf, die damit nun öffentlich am Pranger stehen. Ihre Reisepässe wurden annulliert, sie dürfen das Land nicht verlassen. Mit dem Dekret werden auch zwölf Vereine, drei Zeitungen und ein TVSender geschlosse­n.

heißt es pauschal, die Betroffene­n hätten Verbindung­en zu „Terrororga­nisationen, die gegen die nationale Sicherheit arbeiten“. Damit dürfte die Bewegung des in den USA exilierten Predigers Fethullah Gülen gemeint sein. Erdog˘an hält seinen früheren Verbündete­n für den Drahtziehe­r des Putschvers­uchs.

Rund 50.000 entlassene Staatsbedi­enstete sitzen in Untersuchu­ngshaft und warten auf ihre Anklage. Allein im ersten Halbjahr 2018 wurden nach Angaben des türkischen Innenminis­teriums 15.190 Menschen wegen Terrorvorw­ürfen verhaftet.

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APA/AFP Mit eiserner Faust: der türkische Präsident Erdog˘an

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