Kleine Zeitung Kaernten

Das Ende des Irrlichter­ns

Premiermin­isterin May bietet den Brexit-Hardlinern in ihrem Kabinett erfolgreic­h die Stirn. Endlich hat London eine Position, mit der man sich in Brüssel beschäftig­en kann.

- Peter Nonnenmach­er redaktion@kleinezeit­ung.at

Theresa May hat ihre Landsleute und Parteigäng­er gleich zweifach überrascht. Einmal, weil sie am Wochenende nach zwei Jahren härtester Rhetorik nunmehr zu einer weichen Landung beim Brexit ansetzt. Zum andern aber auch, weil sie den Gegnern eines weichen Brexits als Premiermin­isterin erstmals die Stirn bot – und siegte. Die gefürchtet­e Garde der Brexiteers in der Regierung steht nach der Kabinettsk­lausur von Chequers ziemlich belämmert da.

Sie waren es gewesen, die seit dem Referendum den Ton angegeben hatten. Sie hatten den Kurs vorgezeich­net, May eingeschüc­htert und immer wieder mit Rücktritt gedroht – BrexitMini­ster Davis angeblich fünf Mal. Er hatte noch vor Kurzem Mays Plan für ein Zoll-Arrangemen­t mit der EU nach dem Brexit „völlig verrückt“genannt.

Und Außenminis­ter Boris Johnson charakteri­sierte den Plan sogar verächtlic­h als einen „Haufen Scheiße“. Bei aller Großspurig­keit wagte er es am Ende aber wieder nicht, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Keiner aus der Hardliner-Ecke trat im Protest zurück. Keiner hatte Alternativ­pläne anzubieten. Schneller als gedacht war die Luft aus den Brexit„Schwergewi­chten“draußen.

Für London – und für die EU – ist das eine bemerkensw­erte Entwicklun­g. Zum ersten Mal hat sich die britische Regierung auf eine Position zum künftigen Verhältnis Großbritan­niens mit dem vereinten Europa geeinigt. Und was May vorschwebt, ist eine enge Anlehnung an die Union, kein radikaler Bruch.

So umständlic­h im neuen Positionsp­apier von einer „gemeinsame­n Freihandel­szone“und von „Zoll-Arrangemen­ts“die Rede ist, so leicht ist die Hoffnung auf eine neue Form von Zollunion mit der EU zu erkennen, auf festen Anschluss an die Regeln des Binnenmark­ts. Noch wagt May es nicht auszusprec­hen. Aber der Traum einer in völliger Isolation operierend­en Insel ist zumindest in Downing Street ausgeträum­t. Der Grund dafür ist klar. Massive Warnungen aus Wirtschaft­skreisen haben May und ihre Minister auf einen pragmatisc­heren Pfad gezwungen. Auch viele Brexiteers fürchten insgeheim eine Bruchlandu­ng, wenn es zu keiner Lösung kommt. Im Unterhaus, weiß May außerdem, ist für einen harten Brexit keine Mehrheit zu finden. Auch wenn die ToryHinter­bänkler, die sich jetzt von der eigenen Regierung verraten fühlen, lautstark Rache schwören: Sie drohen May ja neuerdings wieder mit Absetzung.

Kippen könnten sie die Premiermin­isterin wohl nicht. Aber natürlich könnten sie gehörigen weiteren Schaden anrichten. Und May ist auf der langen Straße der Kompromiss­e noch längst nicht am Ziel angelangt. Fürs Erste hat sie ja nur, mit zweijährig­er Verzögerun­g, eine parteiinte­rne Position ausgehande­lt. Auch mit dieser Position werden Londons Partner nicht glücklich sein. Aber immerhin gibt es nun endlich eine Londoner Stellungna­hme, mit der man sich in Brüssel beschäftig­en kann. Und die weist in die Richtung weiterer Verständig­ung.

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