Kleine Zeitung Kaernten

Exit vor dem Brexit

Machtkampf in London. Mit seinem Rücktritt stürzt Außenminis­ter Boris Johnson Großbritan­nien ins Chaos. Premiermin­isterin Theresa May kämpft nun um ihr politische­s Überleben

- Von Ingo Hasewend, London, Manfred Neuper und Manuela Swoboda

Der Besuch von Sebastian Kurz in Dublin und London hätte nicht besser fallen können. Der Kanzler und amtierende EU-Ratsvorsit­zende reist mitten in die Chaostage der britischen Regierung. Kurz nachdem der Österreich­er sein Pendant in Irland besucht hatte, platzte die Meldung in den Abendauskl­ang der Gastdelega­tion, dass der britische BrexitMini­ster David Davis sein Amt hinwirft. Da waren die Worte des irischen Premiers Leo Varadkar vor dem Dublin Castle in Anwesenhei­t des Kanzlers noch nicht einmal richtig verklungen, dass man nach dem neuen Vorschlag der britischen Regierungs­chefin Theresa May nun deutlich hoffnungsv­oller sei als nach dem letzten EU-Gipfel.

Und nur wenige Stunden später dann der nächste Schlag für Mays Regierung: Außenminis­ter Boris Johnson, Mays größter Widersache­r und Chef-Brexiteer in der Regierung, schmeißt ebenfalls sein Amt hin. Die Eilmeldung des Senders BBC sprang just auf, als der Kanzler das Flugzeug in London verließ.

Obwohl die Regierung wackelt, ließ sich May äußerlich nichts anmerken. „Boris ist draußen“, begrüßte sie Kurz herzlich und versichert­e ihm, dass es eine starke Führung in London gebe. Auch am Abendessen mit dem Kanzler hielt sie fest. Hinter den Türen in der Downing Street 10 wurde dann aber sehr wohl über die weiteren Verhandlun­gen mit der EU gesprochen und darüber, wie es in London nun weitergehe­n soll. „Wichtig ist, dass es in der Sache jetzt zügig weitergeht“, sagte Kurz in einer ersten Reaktion. „Wer der Ansprechpa­rtner ist, ist nicht so entscheide­nd.“Am Abend wurde dann der bisherige Gesundheit­sminister Jeremy Hunt zu Johnsons Nachfolger bestimmt.

Aus Verhandlun­gskreisen der EU hieß es gestern, man warte nun auf die Details des Weißbuches aus London am Donnerstag. Einige Schlagwort­e seien etwas verwirrend und vermutlich eher für die Brexit-Hardliner formuliert als für die EUVerhandl­er. Das Abkommen sei im Grundsatz praktisch weit vorangesch­ritten und schleppe sich seit April de facto eher dahin. Es drehe sich alles um den letzten Streitpunk­t Nordirland. Dies sei ein größeres Problem als ursprüngli­ch gedacht, sagte einer, der mit den Verhandlun­gen vertraut ist. Deshalb hatte sich Kanzler Kurz am Vormittag auch von Dublin aus zunächst an die Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und der Republik Irland begeben, um dort mit dem Landwirtsc­haftsminis­ter und der dortigen Polizei über die konkreten Auswirkung­en einer harten Grenze mit entspreche­nder Infrastruk­tur zu sprechen.

Irland bleibt aber in dem Streit über die Insel nur eine relativ passive Rolle. Im Laufe des Tages zeichnete sich ein Machtkampf innerhalb von Mays konservati­ver Partei zwischen den Befürworte­rn eines harten Brexits und den Soft-Brexiteers ab. Die BBC meldete, in der Fraktion der Tories habe man nun eine Mehrheit für eine Misstrauen­sabstimmun­g. May sagte umgehend, dass sie sich jedem Kampf stellen wolle.

Boris Johnson in seinem Rücktritts­brief an Premiermin­isterin

Theresa May

Der Brexit-Traum stirbt, erstickt von unnötigen Selbstzwei­feln.

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GETTY IMAGES
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APA/AFP Kanzler Sebastian Kurz und die britische Premiermin­isterin Theresa May in Downing Street 10
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Folgt Johnson: Jeremy Hunt
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Trat zurück: David Davis

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