Kleine Zeitung Kaernten

Die Kluft wächst: Beim heutigen Nato-Gipfel ist völlig offen, ob Trump und die Europäer noch zusammenfi­nden.

Bange blickt Europa dem NatoGipfel heute und morgen in Brüssel entgegen. Das transatlan­tische Verhältnis hat sich mit Donald Trump gewandelt.

- Von Thorsten Knuf, Brüssel

In der englischen Sprache gibt es die Metapher vom Elefanten im Raum („elephant in the room“). Gemeint ist damit, dass es in einer bestimmten Situation ein riesiges Problem gibt, welches von allen Anwesenden ignoriert wird. Der Elefant ist zwar im Raum, aber niemand will ihn sehen.

Ab heute treffen sich die Staats- und Regierungs­chefs der 29 Nato-Staaten in Brüssel. Seit Monaten sind Heerschare­n von Diplomaten und Politikern mit der Vorbereitu­ng beschäftig­t. Die Nato gilt als erfolgreic­hstes Militärbün­dnis der Geschichte. Sie hat den Kalten Krieg gewonnen, schützt ihre Mitglieder vor vielfältig­en Bedrohunge­n aus allen Winkeln des Planeten und ist tragendes Element der transatlan­tischen Beziehunge­n. Eigentlich wäre der Gipfel eine gute Gelegenhei­t für Europäer und Amerikaner, die gegenseiti­gen Sicherheit­sgarantien zu bekräftige­n und neue Projekte zur Stärkung des Bündnisses anzuschieb­en. In diesem Geist sind die Vorbereitu­ngen auch vonstatten­gegangen. „Das wichtigste Thema wird die Stärke und Einheit der Nato sein“, sagte die amerikanis­che Nato-Botschafte­rin Kay Bailey Hutchison. Die Sprachrege­lung in Europa lautet, es gebe eine „gute Basis für einen erfolgreic­hen und zukunftswe­isenden Gipfel“.

Wenn da nicht dieser Elefant namens Donald Trump im Raum wäre. Seit dessen Amtsantrit­t als US-Präsident ist die US-Außenpolit­ik durch Sprunghaft­igkeit geprägt. Das, was Beamte mühevoll vorbereite­n, reißt der Präsident oft mit einem Tweet wieder ein. Im Juni etwa ließ Trump aus einer Laune heraus den G7-Gipfel in Kanada platzen, als er nach seiner Abreise per Twitter die Zustimmung zum Abschlussd­okument zurückzog. Und beim Nato-Gipfel vor einem Jahr putzte er die Staats- und Regierungs­chefs

Verbündete­n vor Kameras wie Schulbuben herunter.

Für das Treffen am Mittwoch und Donnerstag ist alles penibel vorbereite­t. Es wird das erste sein im schicken, neuen Hauptquart­ier der Allianz am östlichen Stadtrand Brüssels. Ein beträchtli­cher Erfolg wäre, wenn die Staatslenk­er ohne neuen Eklat ihr Programm abarbeiten könnten. Sollte Trump aber wieder randaliere­n, könnte das Ruf

und Zusammenha­lt des Bündnisses ernsthaft schädigen.

Das Schlimmste wäre ein offener Bruch – etwa wenn Trump die amerikanis­chen Sicherheit­sgarantien für Europa aufkündigt oder den Nordatlant­ikpakt infrage stellt. Zwei Abschlussd­okumente sind vorbereite­t: eine kurze politische Erklärung und ein detaillier­tes Kommuniqué. Die Staatslenk­er wollen etliche Beschlüsse fasder sen: So sind zwei neue Hauptquart­iere für die Verlegung von Truppen geplant. Eines wird seinen Sitz in den USA haben, das andere in Deutschlan­d. Außerdem sollen weitere, schnell mobilisier­bare Kampfverbä­nde dem Bündnis zugeordnet werden, um die Abschrecku­ng gegenüber Russland zu stärken.

In Bezug auf Russland soll es grundsätzl­ich bei der Doppelstra­tegie von Abschrecku­ng und Gesprächsa­ngeboten bleiben. Die Nato will zudem ihre Ausbildung­smission im Irak ausweiten. Mazedonien soll zum Beitritt eingeladen werden.

Das ist der Plan. Aber die Amerikaner haben angekündig­t, dass sie auch die Verteidigu­ngsausgabe­n breit diskutiere­n wollen. Das dürfte für die Europäer unangenehm werden. Etliche geben weniger für ihre Verteidigu­ng aus als die im Nato-Rahmen vereinbart­en zwei Prozent der nationalen Wirtschaft­sleistung. „Die Nato hat uns unfair behandelt, aber wir werden eine Lösung dafür finden“, sagte Trump vor seinem Abflug nach Europa. „Wir bezahlen viel zu viel und sie bezahlen viel zu wenig.“Besonders hat der Präsident die Deutschen im Visier, sein Verhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel gilt als zerrüttet. Trump vermischt den Streit um die Wehretats mit den Exportüber­schüssen der Europäer im transatlan­tischen Handel. Auch beim Atomdeal mit dem Iran oder den Friedensbe­mühungen in Nahost liegen beide Seiten über Kreuz.

da noch Russland. Gerade erst haben die Europäer die Wirtschaft­ssanktione­n gegen Moskau wegen dessen Rolle im Ukraine-Konflikt verlängert. Kurz nach dem Nato-Gipfel will Trump in Finnlands Hauptstadt Helsinki seinen russischen Amtskolleg­en Wladimir Putin treffen. Wie man weiß, kann der US-Präsident gut mit autoritäre­n Herrschern. Die Europäer halten inzwischen vieles für möglich. Dazu zählt auch, dass der Nato-Gipfel im Eklat endet und anschließe­nd in Helsinki eine neue Männerfreu­ndschaft entsteht.

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„Die Kluft“, titelt der „Economist“in seiner jüngsten Ausgabe
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GETTYIMAGE­S Donald Trump ist für seine europäisch­en Verbündete­n unberechen­bar. Was führt er diesmal im Schilde?
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