Van der Bellen will erst unterschreiben, wenn rechtlich alles wasserdicht ist.
Überraschend verweigert Bundespräsident Van der Bellen seine Unterschrift unter das Freihandelsabkommen mit Kanada. Er wolle das Urteil des EU-Gerichtshofs abwarten.
Es gibt Zweifel, ob die Schiedsgerichte mit EU-Recht konform gehen. Alexander van der Bellen,
Bundespräsident
Bundespräsident Alexander Van der Bellen sorgt für einen innenpolitischen Knalleffekt: Er verweigert – vorerst einmal – seine Unterschrift unter das heiß umfehdete Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. In einer Aussendung verweist Van der Bellen auf Zweifel an der EU-Konformität der geplanten Schiedsgerichte. Zunächst wolle er das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Ceta-Abkommen abwarten. Der ehemalige Grünpolitiker meldet allerdings keine Fundamentalopposition gegen die Vereinbarung an.
„Ich habe den Staatsvertrag zu Ceta gewissenhaft geprüft. Das Ergebnis der Prüfung ist mit einem Vorbehalt positiv ausgefallen. Es gibt Zweifel, ob die Schiedsgerichte mit EURecht konform gehen. Sollte der EuGH entscheiden, dass Ceta mit dem Unionsrecht vereinbar ist, werde ich den Staatsvertrag umgehend unterzeichnen“, so der Bundespräsident.
An der EU-weiten Umsetzung des Freihandelsabkommens ändert sich mit Van der Bellens Weigerung nichts. Belgien hatte den EU-Gerichtshof in der Frage bereits angerufen, in gewisser Weise reiht sich der Bundespräsident hinter die Belgier ein. Die Entscheidung des Bundespräsidenten bringt mehr die Innenpolitik als die internationale Politik durcheinander. Vor allem die FPÖ wird durch den Entscheid auf dem falschen Fuß erwischt: Die Freiheitlichen hatten sich in den Koalitionsverhandlungen zähneknirschend zu einem Ja zu Ceta durchgerungen, der ehemalige Grünpolitiker hat es nicht so eilig.
Über Van der Bellens Beweggründe kann nur spekuliert werden: Politisch setzt der Bundespräsident einen Kontrapunkt zu „seiner Regierung“, mit der er immer wieder hadert. So gesehen setzt Van der Bellen eigene politische Duftmarken.
In einer ersten Reaktion begrüßt Strache den Schritt: „Die Entscheidung des Bundespräsidenten, jetzt einmal Ceta nicht zu ratifizieren und das EuGHUrteil abzuwarten, findet meine volle Unterstützung.“Aufgrund des Prüfverfahrens des EU-Gerichtshofs gebe es Rechtssicherheit bezüglich der endgültigen Abwendung von privaten Schiedsgerichten (siehe rechts). Von der ÖVP wurde gestern Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck vorgeschickt: „Die Entscheidung des Bundespräsidenten, das offene Verfahren am EU-Gerichtshof noch abzuwarten, ist selbstverständlich zu respektieren“, so die Ministerin, um in einem Nebensatz süffisant anzumerken, dass es Ex-Kanzler Christian Kern war, der im Oktober 2016 die Zustimmung zu Ceta auf europäischer Ebene gegeben hatte. Bundeskanzler Sebastian Kurz zog es gestern vor, sich in Schweigen zu hüllen.
Die gestrige Entscheidung wird von SPÖ-Chef Christian Kern „sehr begrüßt“, es gebe „im Moment keinen Grund, diese Ratifizierung vorzunehmen und damit den Investorenschutz, wie er jetzt in Ceta ist, in Stein zu meißeln“.
Erwartbar fielen die Reaktionen der Sozialpartner aus. Wirtschaftskammer (WKÖ) und Industriellenvereinigung (IV) „respektieren“zwar grundsätzlich die Entscheidung des Bundespräsidenten, betonen aber, dass das Handelsabkommen mit Kanada grundsätzlich eine gute Übereinkunft sei und durch die vorläufige Anwendung bereits Handelshemmnisse abgebaut worden seien. Der ÖGB betont in seiner Reaktion, dass Schiedsgerichte inakzeptabel seien.