Die vielen Gesichter des Donald Trump
Selbst wenn der große Eklat ausbleibt, hinterlässt der US-Präsident eine breite Spur der Verwirrung und Ratlosigkeit. Beobachtungen vom Nato-Gipfel.
Die guten Nachrichten zuerst. Der Nato-Gipfel in Brüssel, von Generalsekretär Jens Stoltenberg penibel vorbereitet, ist weder geplatzt noch gescheitert. Man beriet über die Beziehungen zu Ukraine und Georgien, das – so Stoltenberg – ein „treuer Freund“und auf dem richtigen Weg sei, beschloss weitere friedensstiftende Engagements in Afghanistan und lud Mazedonien offiziell ein, sich als Beitrittskandidat als 30. Nato-Land vorzubereiten.
So weit also und so gut. Dass all diese Nachrichten zu Randnotizen werden und das eigentliche Resultat des Gipfels im Nebel bleibt, ist einem einzigen Teilnehmer zuzuschreiben: Donald Trump. Der US-Präsident schaffte es innerhalb kürzester Zeit, die anderen 28 Staats- und Regierungschefs vor sich herzutreiben wie ein Schäferhund seine Schäfchen – mit aberwitzigen Winkelzügen. Schon zu Beginn war er bei einem Frühstück mit Stoltenberg über Deutschland hergezogen, hatte dessen zu geringes Verteidigungsbudget scharf kritisiert und das Land wegen der Gaslieferungen als „Gefangenen Russlands“bezeichnet. Noch am selben Vormittag traf er sich mit Angela Merkel, schwärmte vom tollen Verhältnis der beiden Länder zueinander und von der guten persönlichen Beziehung.
Kaum war die Gipfel-Erklärung des ersten Tages unterschrieben, schimpfte er wegen der zu niedrigen Verteidigungsbudgets der Länder schon wieder auf Twitter los und sprach statt von zwei auf einmal von vier Prozent. Gestern früh kommt es dann beinahe zum Crash: Trump sagt angeblich, wenn nicht alle Nato-Länder ihre Verteidigungsbudgets umgehend auf zwei Prozent erhöhen, würden die Amerikaner „ihr eigenes Ding“machen. Was er damit meint, bleibt unklar – aber es reicht für eine spontane Krisensitzung der Gipfelgemeinschaft, die sich plötzlich mit der Möglichkeit eines Super-GAUs konfrontiert sieht.
Stunden später ist alles wieder ganz anders. Trump gibt eine bizarre Pressekonferenz und spricht von zwei „fantastischen Tagen“, man habe „großartige Ergebnisse“erzielt. Er attestiert der Nato einen „großartigen Gemeinschaftsgeist“und sie laufe jetzt wie eine „gut geölte Maschine“.
Trump, der zwischendurch der EU ausrichtet, sie solle sich vor der zunehmenden Einwanderung in Acht nehmen, und auch auf eine neuerliche Drohung mit den Strafzöllen nicht vergisst, ist überzeugt davon, dass sich nun alle auf direktem und raschem Kurs zum ZweiProzent-Verteidigungsbudget befinden. Das sieht nicht nur
Angela Merkel anders: „Wir haben die Finanzierung bis 2024 ins Auge gefasst“, formuliert sie den langsamen Weg, den auch andere Länder beibehalten wollen. Das hört Trump schon nicht mehr, dafür sagt er: „Ich bin ein stabiles Genie.“Gleichsam im Abgang mahnt er Theresa May, die er auch heute treffen wird, wegen einer zu weichen Brexit-Linie ab und sagt vor seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten am Montag: „Hoffentlich wird er eines Tages mein Freund sein.“