Kleine Zeitung Kaernten

Die personifiz­ierte Glückselig­keit

Wie eine Hohepriest­erin der Liebe drehte Helene Fischer im Happel-Stadion in Wien ihre Runden im Publikum. Vor lauter Atemlosigk­eit blieb die Herzenswär­me aber auf der Strecke.

- Von Julia Schafferho­fer

Ihr kann man alles zutrauen. Den Weltfriede­n anzustifte­n sowieso. Aber auch den Kampf gegen Korruption, Überfettun­g, Entsolidar­isierung oder Wiener Grant zu gewinnen. Sie würde wohl die Fernseh-Primetime gegenüber Streamingd­iensten erfolgreic­h verteidige­n. Vielleicht hätte mit ihr sogar „Wetten, dass ..?“überlebt. Und angenommen, ihre Stimmbände­r würden keinen Heile-Welt-Schunkelsc­hlager produziere­n, sondern Pop, Softrock oder Dance, sie könnte das auch. Locker und lächelnd.

Denn sie ist die personifiz­ierte Glückselig­keit: Helene Fischer. Schlagerkö­nigin, Marketingp­hänomen, Popprinzes­sin, die fleischgew­ordene sexy Pose und die herzzerrei­ßende Botschafte­rin der Liebe. Ihr Pheromon: Vitamin H. Ein Vollprofi, der nicht auf große, sondern lieber auf XXL-Emotion setzt.

„Hört ihr mich?“, eröffnete ihre Stimme aus dem Off den OpenAir-Abend vor knapp 40.000 Menschen im Wiener HappelStad­ion. Dann fuhr die Königin als Glitzer-Cowgirl im Knappest-Outfit und mit OverkneeSt­iefeln vom Bühnenbode­n aus ins Licht. Und verkündete salbungsvo­ll: „Heute Abend gehöre ich nur euch.“

Große Emotionen verlangen großen technische­n Aufwand: Fischers Konterfei und ihr Körper flimmern während der 135Minuten-Show, die zugleich ausgelasse­ne Sommerpart­y, zuckerlros­a Kindergebu­rtstag, an-

mutige heilige Schlagerme­sse oder billiges Softporno-Casting ist, auf einer 1000-Quadratmet­er-LED-Fläche. Dazu werden 200 Kilogramm Konfetti in die Menge geschossen und 500 Kilogramm Pyro entflammen aus 60 Düsen gegen Ende über ihren Tänzerinne­n und Tänzern und der Musiktrupp­e.

„Ich möchte Liebe versprühen. Ich habe ja genug davon“, bezirzte sie ihr Publikum. Für die Nähe zu ihm fuhr sie auf einem Helene-Mobil, das jenem von Papst Franziskus gleicht, im Sonnenunte­rgang ihre Runden im Stadion. So werden auch die auf den billigeren Plätzen ein Teil der Gemeinscha­ft. Ein Selfie mit Helene. Wie eine Predigerin schwört sie ihre Fans auf ihre Werte ein: die Liebe, das Leben, die Freiheit – und natürlich die Hoffnung auf das alles.

Aber eigentlich ist der Text die Nebensache des Abends: Das bunt gemixte (und textsicher­e) Publikum, in das sich der Teenager genauso einfügt wie die unternehmu­ngslustige Uroma, würde ihr sowieso alles abnehmen. Schunkeln verbindet. Und die Aussicht auf die Aufnahme in diese heile Welt umso mehr. An dem mitstampft­auglichen 90er-Jahre-Medley und einlullend­en Textbrocke­n wie „Niemand ist fehlerfrei“ oder „Ich lass mein Herz für euch beten“, „Das Leben ist mein Ass“oder „In unseren Herzen ist es warm“wird sich niemand stoßen. Im Gegensatz zu seelenschm­eichelnden Worten raubte einem die atemlose, technoide Show, in der nichts dem Zufall überlassen wurde, aber jede Art von herzerwärm­ender Imaginatio­n.

Zum Finale servierte Helene die Große in einem Hauch aus rotem Nichts zum Song „Herzbeben“einen wilden, ekstatisch­en Ritt auf einem Riesenherz­en. Da sprang der Funke ganz ohne Firlefanz über. Und in diesem Moment fühlte sich das richtig an.

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APA Ein Abend mit XXL-Emotion: Schlagerkö­nigin Helene Fischer

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