Kleine Zeitung Kaernten

Erschrecke­nde Einblicke in die Drogenszen­e

Nigerianer hatte auf offener Straße mitten in Klagenfurt Kokain an Einheimisc­he verkauft. Gestern wurde er am Landesgeri­cht zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

- Von Claudia Beer-Odebrecht

Ein angeklagte­r Dealer aus Nigeria und einige seiner Stammkunde­n lieferten gestern am Landesgeri­cht erschrecke­nde Einblicke in die Klagenfurt­er Drogenszen­e. Eine kriminelle Organisati­on aus Nigerianer­n versorgt offenbar immer mehr Einheimisc­he vor allem mit Kokain. Für Konsumente­n aus allen Schichten der Gesellscha­ft ist es mittlerwei­le spielend leicht, mit den sogenannte­n Straßenläu­fern auf offener Straße und auf Parkplätze­n in Kontakt zu treten. Straßenläu­fer sind Dealer, die aus taktischen Gründen nur eine geringe Suchtgiftm­enge bei sich haben.

Auch der angeklagte Nigerianer war in der Landeshaup­tstadt immer wieder als Straßenläu­fer unterwegs. Seine bevorzugte­n Plätze waren die Herrengass­e, das Messegelän­de, der Stadtteil St. Ruprecht und der Bereich rund um das Hallenbad. Dort konnten ihn potenziell­e Kunden einfach ansprechen. Anderen übergab er meist auf offener Straße ihre telefonisc­h aufgegeben­e Bestellung.

Für einen Kokain-Ball kassierte der Vater eines zweijährig­en Kindes 40 Euro. Einen Teil des Geldes musste er einem Freund abliefern, sagte der Angeklagte vor Gericht. Die Namen seiner Freunde weiß er, selbst nach hartnäckig­em Nachfragen von Richter Manfred Herrnhofer, nicht. Überhaupt hat der Angeklagte merkwürdig­e Gedächtnis­lücken. Als der Richter ihn mittels einer Dolmetsche­rin nach seinem Geburtsdat­um fragt, kann dieser keine klare Antwort geben: „Ich weiß es nicht genau.“Je länger der Richter die Personalia überprüft, desto kurioser wird es. „Wie heißt ihre Frau?“, fragt der Richter. Der Angeklagte greift sich auf den Kopf: „Ich weiß den Nachnamen nicht.“Richter: „Sind sie überhaupt verheirate­t?“„Ja, schon“, sagt der Mann.

wird lauter: „Erzählen Sie uns nicht dauern irgendwelc­he Geschichte­n. Sie sind laut einer spanischen Anwältin

geschieden.“Der Angeklagte stammelt. „Kann sein, ich weiß es nicht.“Zumindest eines ist gesichert: Der Mann hat im Asylverfah­ren einen falschen Namen, ein falsches Geburtsdat­um und eine falsche Staatsbürg­erschaft angegeben. Durch diese Masche war es ihm möglich, sogar in die Grundverso­rgung des Landes aufgenomme­n zu werden.

Nach der Einvernahm­e von sechs Zeugen, die übereinsti­mmend aussagten, vom Angeklagte­n mehrfach Kokain-Bälle gekauft zu haben, verzichtet der Richter auf die Einvernahm­e weiterer Stammkunde­n. Die Kunden gehören fast alle dem Mittelstan­d an und gehen einergereg­elten Arbeit nach. Eine junge Kundin gibt an, Kokain aus Lust und Laune zu nehmen, ein Angestellt­er spricht von „Stress bei der Arbeit“.

Der vorbestraf­te Nigerianer legt letztlich ein umfassende­s Geständnis ab. Er wird wegen Drogenhand­el, unerlaubte­n Umgang mit Suchtmitte­ln, Hehlerei und Erschleich­ung von Sozialleis­tungen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil ist bereits rechtskräf­tig.

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich geboren bin. Ich denke im Jahr 1986. Oder 1982? Ja, im Februar. Das könnte sein. Aber genau kann ich das nicht sagen. Der Angeklagte

Der Angeklagte ist natürlich nur ein kleiner Fisch, ein sogenannte­r Straßenläu­fer.Aber wie jeder kleine Fisch erhält er das System am Leben. Staatsanwä­ltin Sandra

Agnoli

Ich habe ihn in der Herrengass­e einfach angesproch­en und ihn gefragt, ob er Kokain verkauft. Ich habe dann gleich etwas gekriegt. Ein Zeuge, der Stammkunde war

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Der Angeklagte wusste weder sein genaues Geburtsdat­um noch den Nachnamen seiner Frau
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WEICHSELBR­AUN Richter Manfred Herrnhofer

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