Er lässt Nicaragua im Chaos versinken
Einst Kämpfer gegen den Diktator, regiert Ortega nun selbst autoritär.
Es sind verstörende Bilder, die aus Nicaragua um die Welt gehen. Man sieht brennende Regierungsgebäude, Straßenbarrikaden, junge Vermummte mit Steinen, die sie auf Polizisten werfen. Diese antworten mit Gummigeschossen und Tränengas. Auch das Militär ist auf den Straßen. Das Land, das auf der konfliktreichen zentralamerikanischen Landbrücke als das friedlichste gilt, steht nach drei Monaten voller Proteste gegen eine Reform der Pensionskassen an der Schwelle zum Bürgerkrieg. 260 sind gestorben. Das Sehnsuchtsland der Linken hat sich zum Chaosstaat entwickelt. Am Freitag startete ein Generalstreik. Denn der autoritäre Herrscher Daniel Ortega hat sich endgültig gegen Kompromisse und für Krieg gegen das eigene Volk entschieden. Nach seiner Weigerung, die 2022 anstehende Wahl auf kommendes Jahr vorzuziehen, erhöht er die Repression gegen seine Gegner. Zwar nahm er die Reform zurück, doch der soziale Protest weitete sich zum landesweiten Aufstand gegen den unbeliebten Präsidenten und seine Frau und Vize-Präsidentin Rosario Murillo aus, denen die Nicaraguaner selbstherrliche und korrupte Amtsführung vorwerfen sowie die Errichtung einer Familiendynastie.
Ortega müsste aus eigener Erfahrung wissen, wo Protest enden kann. Er war führender Kopf der linksgerichteten, sandinistischen FSLN-Rebellen, die Diktator Somoza vor 40 Jahren stürzten und die Macht übernahmen. Ortega wurde später Präsident und 1990 wegen des aus den USA finanzierten Contra-Kriegs und der schweren Wirtschaftskrise abgewählt. Nach Wahlniederlagen 1990, 1996 und 2001 wurde er 2006 wiedergewählt und 2011 und 2016 im Amt bestätigt.