Unbehagen wegen Schächtens
Müssen sich Juden registrieren lassen, um koscheres Fleisch zu bekommen? Eine unbehagliche Geschichte aus den Untiefen der Verwaltung.
Österreich oder, genauer gesagt, Niederösterreich macht wieder einmal internationale Schlagzeilen – allerdings leider nicht die Sorte, die man von sich gerne liest: „Austrian State May Require Jews to Register to Buy Kosher Meat“titelt zum Beispiel die israelische „Haaretz“.
Auch in Österreich schlägt
die sensible Angelegenheit, die am Dienstag durch einen Blogeintrag der „Wiener Zeitung“aufgebracht worden ist, Wellen: SPÖ-Chef Christian Kern fordert den Rücktritt des zuständigen Landesrats Gottfried Waldhäusl (FPÖ) und fühlt sich an „die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte“erinnert.
Die FPÖ verteidigt sich postwendend: Waldhäusl vollziehe hier nur Vorgaben, die sein Vorgänger in der niederösterreichischen Regierung, Maurice Androsch, ausgerechnet von der SPÖ, ausgegeben habe.
Im Kern steht die Frage, ob sich Menschen, die Fleisch von geschächteten Tieren kaufen wollen, namentlich registrieren müssen – was, da Juden und Muslime betroffen wären, üblen Beigeschmack hätte.
Wenn man die Originaldokumente liest, die der Kleinen Zeitung vorliegen, stellt sich die Angelegenheit aber weit weniger brisant dar: Basis des Ganzen ist das Tierschutzgesetz, das den Ländern vorschreibt, streng zu prüfen, ob wirklich ein religiös begründeter Bedarf an aus Schächtung gewonnenem Fleisch besteht, bevor sie diese Schlachtmethode ausnahmsweise erlauben.
In Niederösterreich haben
Beamte der Tierschutzabteilung daher schon im September 2017, als noch Androsch politisch verantwortlich war, die Order ausgegeben, dass jeder Schlachter, der Schächten will, Nachweise für so einen Bedarf bringen muss – allerdings ohne zu spezifizieren, wie genau diese Beweise aussehen sollen.
Das ändert sich im März, als das (unabhängige) Landesverwaltungsgericht dem Land aufträgt, dass diese Beweise eine konkrete Aufzählung der Empfänger und einen Nachweis von deren Religionszugehörigkeit beinhalten müssen. Die Landesbeamten, mittlerweile unterstehen sie Waldhäusl, machen sich in der Folge daran, ihre Richtlinien für die Genehmigung der Schächtung zu überarbeiten – und informieren Anfang Juli unter anderem die Israelitische Kultusgemeinde, die sich – angesichts der Vorgabe einer solchen Registrierungspflicht verständlicherweise – unwohl fühlt und Alarm schlägt. Was schließlich zu dem „Wiener Zeitung“-Artikel führt, der den Stein ins Rollen bringt.
Angesichts dieser Faktenlage dürfte es sich um keinen gezielten Versuch handeln, Juden und Muslime zu erfassen – die Initiative für die neuen Regeln ging vom Verwaltungsgericht aus, nicht von der Politik. Die sucht nun nach einem rechtskonformen Ausweg: Angesichts der Judikatur werde es eine Art Registrierung geben müssen, sagt ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger. „Wir arbeiten an einer praxisnahen Lösung, aber ich kann noch nicht sagen, wie sie aussieht. Die Sensibilität der Thematik macht es schwierig.“