Heraus aus dem Schmuddeleck
Manuela Raidl moderiert im Sommer „Pro und Contra“auf Puls 4. Im Fokus: Sexualität.
Sie sind Politik-Chefreporterin bei Puls4. Worin orten Sie das Politische in diesem großen Themenkomplex der Sexualität, die schwerpunktmäßig im Sommer bei „Pro und Contra Spezial“heute Abend wieder auf dem Programm steht?
MANUELA RAIDL: Sexualität ist sogar so politisch, dass Gesetzgeber auf der ganzen Welt versuchen, sie zu reglementieren. Das sehen wir bei Sittlichkeitsund Bekleidungsvorschriften – bei denen es ja am Ende um die Frage geht, wie viel (weibliche) Sexualität im öffentlichen Raum zumutbar ist. Das sehen wir beim Thema Homoehe und der Frage, ob und wie die sexuelle Orientierung die gesellschaftliche und rechtliche Stellung eines Menschen ändert. Das sehen wir bei der Diskussion um den „Po-Grapsch-Paragrafen“und die – zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes – untergriffige Auseinandersetzung darüber, ab wann eine Berührung als sexuell zu werten ist.
Sexualität ist auch ein Geschäftsmodell.
Und manche Beobachterin würde sogar behaupten, dass selbst Auseinandersetzungen auf weltpolitischer Ebene letztlich eine Fortsetzung (männlichen) Balzgehabes auf der höchsten Ebene sind. Ob wir es uns eingestehen oder nicht: Sexualität ist allgegenwärtig und die Art, wie wir damit umgehen, prägt unsere Gesellschaft. Es wird also höchste Zeit, Diskussionen über Sexualität aus dem Schmuddeleck zu holen!
Bei der heutigen Sendung um 22.45 Uhr dreht sich alles um Glaube und Sexualität. Die Herkunft der Gäste ist sehr bunt. Was wollen Sie erfahren?
Die erste Frage ist doch: Hat der individuelle Glaube eine Auswirkung darauf, wie ich Sexualität lebe, wie offen oder verklemmt ich mich dem Thema nähere? Ich werde die Debatte nicht über Bibel- und Koranverse führen, sondern sie in die Gegenwart und auf die praktische Ebene holen. Ich möchte wissen, wie sich die christliche und die muslimische Sexualmoral heute leben lassen – wo sie einschränken, in welchen Punkten sie Männer anders prägen als Frauen – und was wir von Jesus und Mohammed über Sexualität im Hier und Heute lernen können. Besonders gespannt bin ich auf Seyran Ate¸s – eine Imamin, die für eine Liberalisierung des Islam kämpft und ein Buch geschrieben hat mit dem Titel „Der Islam braucht eine sexuelle Revolution“.
Sex ist allgegenwärtig, aber dennoch mangelt es oft an der Sprache dafür: Muss man als Moderatorin bei diesem Thema besonders vorsichtig sein?
Ich bin es gewohnt, offen über Sexualität zu reden, und denke, mit unaufgeregter, respektvoller Sprache kann man nichts falsch machen. Für Menschen, für die es bereits ein Schock ist, dass so ein Thema in einer TV-Diskussion Platz findet, wird die Sendung eine Herausforderung.
Sie haben Politikwissenschaft studiert: Gab es ein Schlüsseler- lebnis, das Sie für Politik angefixt hat?
Der Punkt, an dem ich wusste, dass ich mich beruflich damit auseinandersetzen will, war der Start von „Talk of Town“vor über zehn Jahren auf Puls TV, den ich moderiert habe. Da habe ich zum ersten Mal den Auftrag gespürt, Politik für andere genauso spannend zu machen, wie sie für mich selbst ist.
Wie lautet Ihre journalistische Maxime?
Das mag auf den ersten Blick banal klingen, aber: Ver- ständlichkeit geht über alles. Ich bin ein Nachrichtenjunkie und ich werde dafür bezahlt, mich jeden Tag mit Politik auseinanderzusetzen. Der Beruf beginnt in der Vermittlung und dem Bemühen, unseren Zusehern zu zeigen, welche Relevanz das für ihr Leben hat.