Neun Verurteilungen und ein Freispruch in der WahlkartenAffäre. 14.000 Euro Geldstrafe für Villacher Bürgermeister Albel.
Der Villacher Bürgermeister Günther Albel (SPÖ) und acht weitere Personen wurden gestern verurteilt. Für die „Aufdeckerin“gab es einen Freispruch. In drei weiteren Bezirken wird noch ermittelt.
Jeden Montag nach einem Wahltag um 9 Uhr müssen Briefwahlstimmen im Beisein der Bezirkswahlbehörde ausgezählt werden. So sieht es das Gesetz vor – zumindest theoretisch. Im Magistrat Villach hat man seit beinahe zwei Jahrzehnten eine andere Vorgehensweise verfolgt. Deshalb mussten sich gestern zehn Personen am Landesgericht Klagenfurt verantworten. Ihnen wurde in neun Fällen falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt vorgeworfen und in einem Fall Amtsanmaßung, Fälschung eines Beweismittels und falsche Beweisaussage.
Auf der Anklagebank Platz nehmen musste auch der Villacher Bürgermeister Günther Albel (SPÖ), in seiner Funktion als Vorsitzender der Bezirkswahlbehörde. Vor Richter Christian Liebhauser-Karl gab er sich geständig. Er sei jedoch als Vorsitzender der Wahlbehörde nur für die Beurkundung des Ergebnisses und nicht für die Auszählung der Stimmen verantwortlich gewesen. „Aber wie können Sie etwas beurkunden, von dem Sie nicht wissen, ob es rechtmäßig zustande gekommen ist?“, wollte Liebhauser-Karl wissen. „Sie haben vollkommen recht. Deshalb sitze ich heute auch hier“, sagte Albel.
Aus der erhofften Diversion wurde am Ende nichts. Zu schwer wiegen die Vorwürfe. „Die Bevölkerung muss darauf vertrauen können, dass Wahlen ordentlich durchgeführt werden. Sie haben ihre Funktion nicht schlecht, sondern überhaupt nicht ausgeübt. Das zeugt auch von einer gewissen Ignoranz“, sagte Liebhauser-Karl in seiner Urteilsgebegründung. Das Urteil sei dennoch ein salomonisches, eine Geldstrafe scheint nicht im Strafregister auf. Albel
wurde zu einer Zahlung von 14.000 Euro verurteilt. Zum Urteil und zu möglichen persönlichen und politischen Konsequenzen will sich der Villacher Bürgermeister erst heute äußern. Die Entscheidung nahm er gestern an.
Der eigentliche Hauptangeklagte war aber der Villacher Wahlamtsleiter. Der Beamte wurde zusätzlich zu einer Geldstrafe zu fünf Monaten bedingter Haft verurteilt. Er hat bereits vor dem Wahltag mit dem Aufritzen der Wahlkuverts und dem Sortieren der Stimmzettel begonnen – lediglich mithilfe weiterer Magistratsmitarbeiter und ohne Mitglieder der Bezirkswahlbehörde. Zudem habe er bei der Einvernahme durch den Verfassungsgerichtshof die Unwahrheit erzählt.
Auf den Mann, der mit ersten September in Pension geht, sei laut eigener Aussage ein enormer Druck gelastet, das Ergebnis rechtzeitig abzuliefern. Schließlich hätte ganz Österreich das Endergebnis in den Nachrichten sehen wollen. Die Wahl sei ein Kopf-an-Kopf-Rennen gewesen. „Ich bin davon ausgegangen, dass die Vorgehensweise in Ordnung ist. Es wurde auch die Jahre davor so gemacht“, sagte der Angeklagte. Das Ergebnis ist bekannt. Die Bundespräsidenten-Stichwahl musste wiederholt werden. Im Magistrat ist gegen den Mitarbeiter ein Disziplinarverfahren anhängig. Auch er nahm sein Urteil gestern an.
Als Einzige auf nicht schuldig
plädierte eine Wahl-Beisitzerin der FPÖ. Sie legte mit ihrer Forderung nach einem Aktenvermerk bezüglich der verfrühten Auszählung der BriefwahlStimmen den Grundstein für Strafverfolgung und Prozess. Die Reinigungskraft absolvierte ihre Befragung dann auch um Längen souveräner als ihre Kollegen auf der Anklagebank. Diesen wohlüberlegten und gut durchdachten Auftritt kommentierte Liebhauser-Karl mit den Worten „sie haben eine sehr gepflegte Sprache“. „Auch Reinigungskräfte können Lesen und Schreiben“, antwortete die Ersatzgemeinderätin. Am Ende wurde sie als einzige der zehn Angeklagten von allen Vorwürfen freigesprochen.
Mit großem Interesse dürften auch die Bezirkswahlbehörden in Villach-Land, Wolfsberg und Hermagor den Prozess verfolgt haben. Auch in diesen Bezirken soll es zu Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung gekommen sein. Die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft führt derzeit noch Ermittlungen durch. Der gestrige Prozess war der erste dieser Art in Österreich.