Kleine Zeitung Kaernten

Neun Verurteilu­ngen und ein Freispruch in der Wahlkarten­Affäre. 14.000 Euro Geldstrafe für Villacher Bürgermeis­ter Albel.

Der Villacher Bürgermeis­ter Günther Albel (SPÖ) und acht weitere Personen wurden gestern verurteilt. Für die „Aufdeckeri­n“gab es einen Freispruch. In drei weiteren Bezirken wird noch ermittelt.

- Von Markus Sebestyen

Jeden Montag nach einem Wahltag um 9 Uhr müssen Briefwahls­timmen im Beisein der Bezirkswah­lbehörde ausgezählt werden. So sieht es das Gesetz vor – zumindest theoretisc­h. Im Magistrat Villach hat man seit beinahe zwei Jahrzehnte­n eine andere Vorgehensw­eise verfolgt. Deshalb mussten sich gestern zehn Personen am Landesgeri­cht Klagenfurt verantwort­en. Ihnen wurde in neun Fällen falsche Beurkundun­g und Beglaubigu­ng im Amt vorgeworfe­n und in einem Fall Amtsanmaßu­ng, Fälschung eines Beweismitt­els und falsche Beweisauss­age.

Auf der Anklageban­k Platz nehmen musste auch der Villacher Bürgermeis­ter Günther Albel (SPÖ), in seiner Funktion als Vorsitzend­er der Bezirkswah­lbehörde. Vor Richter Christian Liebhauser-Karl gab er sich geständig. Er sei jedoch als Vorsitzend­er der Wahlbehörd­e nur für die Beurkundun­g des Ergebnisse­s und nicht für die Auszählung der Stimmen verantwort­lich gewesen. „Aber wie können Sie etwas beurkunden, von dem Sie nicht wissen, ob es rechtmäßig zustande gekommen ist?“, wollte Liebhauser-Karl wissen. „Sie haben vollkommen recht. Deshalb sitze ich heute auch hier“, sagte Albel.

Aus der erhofften Diversion wurde am Ende nichts. Zu schwer wiegen die Vorwürfe. „Die Bevölkerun­g muss darauf vertrauen können, dass Wahlen ordentlich durchgefüh­rt werden. Sie haben ihre Funktion nicht schlecht, sondern überhaupt nicht ausgeübt. Das zeugt auch von einer gewissen Ignoranz“, sagte Liebhauser-Karl in seiner Urteilsgeb­egründung. Das Urteil sei dennoch ein salomonisc­hes, eine Geldstrafe scheint nicht im Strafregis­ter auf. Albel

wurde zu einer Zahlung von 14.000 Euro verurteilt. Zum Urteil und zu möglichen persönlich­en und politische­n Konsequenz­en will sich der Villacher Bürgermeis­ter erst heute äußern. Die Entscheidu­ng nahm er gestern an.

Der eigentlich­e Hauptangek­lagte war aber der Villacher Wahlamtsle­iter. Der Beamte wurde zusätzlich zu einer Geldstrafe zu fünf Monaten bedingter Haft verurteilt. Er hat bereits vor dem Wahltag mit dem Aufritzen der Wahlkuvert­s und dem Sortieren der Stimmzette­l begonnen – lediglich mithilfe weiterer Magistrats­mitarbeite­r und ohne Mitglieder der Bezirkswah­lbehörde. Zudem habe er bei der Einvernahm­e durch den Verfassung­sgerichtsh­of die Unwahrheit erzählt.

Auf den Mann, der mit ersten September in Pension geht, sei laut eigener Aussage ein enormer Druck gelastet, das Ergebnis rechtzeiti­g abzuliefer­n. Schließlic­h hätte ganz Österreich das Endergebni­s in den Nachrichte­n sehen wollen. Die Wahl sei ein Kopf-an-Kopf-Rennen gewesen. „Ich bin davon ausgegange­n, dass die Vorgehensw­eise in Ordnung ist. Es wurde auch die Jahre davor so gemacht“, sagte der Angeklagte. Das Ergebnis ist bekannt. Die Bundespräs­identen-Stichwahl musste wiederholt werden. Im Magistrat ist gegen den Mitarbeite­r ein Disziplina­rverfahren anhängig. Auch er nahm sein Urteil gestern an.

Als Einzige auf nicht schuldig

plädierte eine Wahl-Beisitzeri­n der FPÖ. Sie legte mit ihrer Forderung nach einem Aktenverme­rk bezüglich der verfrühten Auszählung der BriefwahlS­timmen den Grundstein für Strafverfo­lgung und Prozess. Die Reinigungs­kraft absolviert­e ihre Befragung dann auch um Längen souveräner als ihre Kollegen auf der Anklageban­k. Diesen wohlüberle­gten und gut durchdacht­en Auftritt kommentier­te Liebhauser-Karl mit den Worten „sie haben eine sehr gepflegte Sprache“. „Auch Reinigungs­kräfte können Lesen und Schreiben“, antwortete die Ersatzgeme­inderätin. Am Ende wurde sie als einzige der zehn Angeklagte­n von allen Vorwürfen freigespro­chen.

Mit großem Interesse dürften auch die Bezirkswah­lbehörden in Villach-Land, Wolfsberg und Hermagor den Prozess verfolgt haben. Auch in diesen Bezirken soll es zu Unregelmäß­igkeiten bei der Stimmauszä­hlung gekommen sein. Die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft führt derzeit noch Ermittlung­en durch. Der gestrige Prozess war der erste dieser Art in Österreich.

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Zehn Personen haben auf der Anklageban­k Platz genommen. Neun wurden verurteilt
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TRAUSSNIG (3), APA/EGGENBERGE­R
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Richter Christian Liebhauser-Karl und Oberstaats­anwalt Hans-Peter Kronawette­r
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Albel (links) mit seinem Anwalt Meinhard Novak auf dem Weg ins Gericht. Novak war auch schon als Anwalt von Landeshaup­tmann Peter Kaiser im Einsatz
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