Der Coup im Weißen Haus und seine Folgen
Die überraschende Annäherung von Jean-Claude Juncker und Donald Trump lässt die Industrie aufatmen. Doch was haben die Gespräche wirklich gebracht? Vieles bleibt vage.
Kaum einer hätte das gedacht. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erreicht in Washington Vereinbarungen, die den Handelsstreit mit den USA beenden und zu einem gemeinsamen Vorgehen im globalen Handel führen sollen. Allerdings sind viele Absprachen äußerst vage. Wir erläutern, was die Gespräche gebracht haben.
Die USA und die EU wollen an einer Reform der Welthandelsorganisation arbeiten und eine „Angleichung von Standards“erreichen, so Juncker. Was genau damit gemeint sein soll, ist noch nicht klar. Es könnte darauf hinauslaufen, Zölle abzuschaffen, Handelsschranken zu beseitigen und Subventionen zurückzufahren. Die derzeitigen USSonderabgaben auf Stahl und Aluminium sowie die EU-Vergeltungszölle auf Whiskey, Jeans und Motorräder aus den USA sollen auf den Prüfstand gestellt werden. Es wird sogar spekuliert, das über Jahre verhandelte Freihandelsabkommen TTIP wieder aus den Schubladen zu holen. Doch daran zeigt die fransen. Regierung kein Interesse: Präsident Emmanuel Macron lehnt ein umfassendes Handelsabkommen zwischen der EU und den USA ab, wie er gestern Abend am Rande eines SpanienBesuchs erklärte. Die Umstände ließen ein Abkommen wie das gescheiterte TTIP nicht zu, die Landwirtschaft etwa solle in den Verhandlungen jedenfalls ausgeklammert werden.
Das zeigt, Verhandlungen in großem Stil könnten extrem schwer werden, insbesondere mit einem US-Präsidenten, der schnell seine Meinung ändert.
Autobranche. Das US-Handelsministerium ist zwar weiter an- gehalten, potenzielle Autozölle zu prüfen, zumindest während der Verhandlungen sollen aber keine verhängt werden. Das dürfte für die deutsche Wirtschaft und für österreichische Betriebe das wichtigste Resultat der Einigung sein. Trump droht seit Wochen, eine Abgabe von 25 Prozent auf Einfuhren von Fahrzeugen und Komponenten zu erheben. Massive Verwerfungen waren befürchtet worden, da die Autoindustrie mit globalen Netzwerken von Produktionsstätten funktioniert. Die Agentur Bloomberg rechnete zudem hoch, dass aus der EU importierte Pkw im Schnitt um 10.000 Euro hätten teurer werden müszösische Das ist jetzt vom Tisch und die Anleger reagierten sofort. Der Aktienkurs von Fiat Chrysler, der nach dem Tod von ExBoss Sergio Marchionne schwer gelitten hatte, ging zeitweise um mehr als vier Prozent nach oben. Bei dem italienisch-amerikanischen Unternehmen sind die transatlantischen Verflechtungen besonders eng.
Sojabohnen. Laut Trump werde die EU „fast sofort“damit beginnen, große Mengen Sojabohnen aus den USA zu kaufen. Der USPräsident bedankte sich dafür ausdrücklich bei Juncker. Allerdings handelt
es sich hier um einen Prozess, der längst eingesetzt hat. Hintergrund ist der Handelskonflikt der USA mit China. Die Regierung der Volksrepublik hat als eine Gegenmaßnahme auf amerikanische Zölle Strafabgaben auf US-Sojabohnen eingeführt. Das hat Tausende Farmer in Nöte gebracht. Die ausbleibende Nachfrage aus China ließ die Preise fallen, das wiederum kurbelt die Nachfrage aus Europa an.
Flüssiggas. Einige Zeit dauern dürfte es, bis der von Trump angekündigte EU-Import von USFlüssiggas in Schwung kommt. Die Kapazitäten sind allein da- durch beschränkt, dass es spezielle Terminals braucht, um das verflüssigte Gas von riesigen Schiffen zu pumpen. Über den Bau weiterer Terminals wird diskutiert, entscheidender Punkt ist der Preis. Flüssiggas ist derzeit in Europa um 20 Prozent teurer als das Pipeline-Gas aus Russland und Norwegen. Im Fall von Russland soll dies durch die Pipeline Nord Stream 2 ausgeweitet werden – Trump ist ein erklärter Gegner des Projekts.
Er fordert von den Europäern, dass sie ihre Versorgung mit fossilen Energieträgern diversifizieren. Doch wird deren Bedarf dank erneuerbarer Energie wohl sinken.