Kleine Zeitung Kaernten

Warum Angst kein guter Ratgeber ist

Der Berliner Bestseller­autor Lars Amend schreibt über das, was im Leben hindert und hemmt, und rät zum Luftsprung über den eigenen Schatten.

- Von Katrin Fischer

Welcher Gedanke liegt Ihrem neuen Ratgeber „Why not?“zugrunde?

LARS AMEND: Die Menschen daran zu erinnern, wie schön das Leben ist. Viele laufen Montagmorg­en mit schlechter Laune durch die Stadt, schimpfen auf die Welt und sitzen grummelig in der Bahn. Die Wahrschein­lichkeit, geboren zu werden, liegt bei 1 : 4 Billionen. Was für ein Glück! Deshalb ist es auch meine Pflicht, diesem Geschenk Wertschätz­ung entgegenzu­bringen, indem ich Dinge tue, die ich liebe. Das mag pathetisch klingen. Viele meinen, das Leben sei kein Wunschkonz­ert. Und ich frage mich: Wer sagt das? Aber wenn du permanent versuchst, irgendwelc­he Erwartunge­n zu erfüllen, die nicht deinen entspreche­n, wirst du immer verlieren.

Sie haben viele erfolgreic­he Bücher geschriebe­n. Als Bestseller­autor liegt der Fokus der Öffentlich­keit auf Ihnen. Das muss das eigene Leben doch in Unordnung bringen. Ist Ihr Ratgeber aus dem heraus entstanden?

Das mit der Unordnung stimmt. Allerdings hatte der Erfolg von außen nichts damit zu tun. Die Unordnung war in mir drinnen. Je erfolgreic­her ich wurde, desto unglücklic­her wurde ich. Ich musste mich zurücknehm­en und bin viel gereist, um in den verschiede­nsten Momenten das Leben zu spüren. Zurück in Berlin habe ich eine Frau getroffen, die mir von Daniel erzählt hat. Einem 15-jährigen herzkranke­n Jungen. Und da habe ich begriffen: Ich habe alles, was man sich erträumen kann. Nur wertschätz­en kann ich das nicht. Da ist ein kleiner Junge, der hat gar nichts und würde alles dafür tun, einen Tag in meinen Schuhen zu laufen. Je mehr Zeit ich mit ihm verbringen durfte, umso mehr wurde auch mein eigener Akku aufgefüllt.

Also eine emotionale Grenzerfah­rung, die das eigene Denken verändert.

Absolut. Wenn ich mit Daniel zusammen bin, sehe ich ihn als Erinnerung daran, dass morgen alles vorbei sein kann. Gesunde Menschen vergessen das schnell, weil sie glauben, dass unser Leben ewig währt. Wir stecken unsere kostbare Lebenszeit in schlechte Laune und ärgern uns, weil der Bus nicht kommt. Weil wir alle glauben, wir hätten noch viel Zeit. Das Miteinande­r mit Daniel ist da konkreter. Wir haben zwei Stunden Zeit, um Spaß zu haben. Dann ist seine Kraft für den Tag verbraucht. Wenn du in einer Situation bist wie Daniel, kannst du es dir nicht mehr erlauben, schlecht drauf zu sein. Wenn man das auf sein eigenes Leben überträgt, läuft man viel mehr wie Peter Pan oder Pippi Langstrump­f durch die Welt.

Wie geht es Daniel?

Er lebt. Das ist ein Beweis dafür, was alles möglich ist, wenn man einen Sinn im Leben erkennt. Als wir uns kennengele­rnt haben, war sein Leben grau. Er hatte keine Freunde und war ständig im Krankenhau­s. Da fragt man sich schon, warum man kämpfen soll, wenn die Ärzte sagen, dass es nicht mehr besser wird. Aber Daniel hat eines erkannt. Wenn er die Untersuchu­ngen über sich ergehen lässt, komme ich am Wochenende, um wieder Blödsinn mit ihm anzustelle­n. Er hatte auf einmal Ziele, die ihm Lebensener­gie gaben. Die Ärzte haben damals gesagt, man könne von Glück sprechen, wenn er noch einen Geburtstag erlebt. Und aus einem Geburtstag wurden bis jetzt sechs.

Was bedeutet das für den gelebten Alltag?

Wenn Daniel morgen sterben würde – was wir natürlich alle nicht hoffen –, dann wissen wir, dass man ihm das bestmöglic­he Leben ermöglicht hat. Umgemünzt auf den Alltag: Wenn man einmal 80 Jahre alt ist und zurückblic­kt, dann möchte man nichts bedauern. Man will sagen können: Es war ein gutes Leben. Wenn du dir aber eingestehe­n musst, dass du dich nie getraut hast, das zu tun, was du

tun wolltest, dann ist das die ultimative Niederlage. Schaut man Fotos von früher an, schämt man sich vielleicht für seine Klamotten. Aber es war in dem Moment das Richtige und man dachte, man sei superheiß (lacht). So ist das mit allen Entscheidu­ngen. Im Hier und Jetzt keine zu treffen, weil man Angst hat, den falschen Weg einzuschla­gen, ist doch irrsinnig.

Welche Fahrtricht­ung fühlt sich im Moment für Sie richtig an?

Mein Weg mit „Why not?“ist noch nicht zu Ende. Das merke ich auch in Österreich. Das Buch ist im Verhältnis zu den Einwohnern gerechnet viel erfolgreic­her als in Deutschlan­d. Ich lese es in Briefen, die ich bekomme. Viele schreiben, dass ich ihnen helfen konnte. Daraus ziehe ich Motivation.

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MELANIE KORAVITSCH Auskenner und Einflussne­hmer: Lars Amend
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GETTYIMAGE­S Wie man ein „Über-denSchatte­nSpringer“wird
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CONSTANTIN FILM Lars Amend hielt seine Erlebnisse mit dem todkranken Daniel in dem Buch „Dieses bescheuert­e Herz“fest. Die Geschichte wurde mit Schauspiel­er Elyas M’Barek verfilmt

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