Warum Angst kein guter Ratgeber ist
Der Berliner Bestsellerautor Lars Amend schreibt über das, was im Leben hindert und hemmt, und rät zum Luftsprung über den eigenen Schatten.
Welcher Gedanke liegt Ihrem neuen Ratgeber „Why not?“zugrunde?
LARS AMEND: Die Menschen daran zu erinnern, wie schön das Leben ist. Viele laufen Montagmorgen mit schlechter Laune durch die Stadt, schimpfen auf die Welt und sitzen grummelig in der Bahn. Die Wahrscheinlichkeit, geboren zu werden, liegt bei 1 : 4 Billionen. Was für ein Glück! Deshalb ist es auch meine Pflicht, diesem Geschenk Wertschätzung entgegenzubringen, indem ich Dinge tue, die ich liebe. Das mag pathetisch klingen. Viele meinen, das Leben sei kein Wunschkonzert. Und ich frage mich: Wer sagt das? Aber wenn du permanent versuchst, irgendwelche Erwartungen zu erfüllen, die nicht deinen entsprechen, wirst du immer verlieren.
Sie haben viele erfolgreiche Bücher geschrieben. Als Bestsellerautor liegt der Fokus der Öffentlichkeit auf Ihnen. Das muss das eigene Leben doch in Unordnung bringen. Ist Ihr Ratgeber aus dem heraus entstanden?
Das mit der Unordnung stimmt. Allerdings hatte der Erfolg von außen nichts damit zu tun. Die Unordnung war in mir drinnen. Je erfolgreicher ich wurde, desto unglücklicher wurde ich. Ich musste mich zurücknehmen und bin viel gereist, um in den verschiedensten Momenten das Leben zu spüren. Zurück in Berlin habe ich eine Frau getroffen, die mir von Daniel erzählt hat. Einem 15-jährigen herzkranken Jungen. Und da habe ich begriffen: Ich habe alles, was man sich erträumen kann. Nur wertschätzen kann ich das nicht. Da ist ein kleiner Junge, der hat gar nichts und würde alles dafür tun, einen Tag in meinen Schuhen zu laufen. Je mehr Zeit ich mit ihm verbringen durfte, umso mehr wurde auch mein eigener Akku aufgefüllt.
Also eine emotionale Grenzerfahrung, die das eigene Denken verändert.
Absolut. Wenn ich mit Daniel zusammen bin, sehe ich ihn als Erinnerung daran, dass morgen alles vorbei sein kann. Gesunde Menschen vergessen das schnell, weil sie glauben, dass unser Leben ewig währt. Wir stecken unsere kostbare Lebenszeit in schlechte Laune und ärgern uns, weil der Bus nicht kommt. Weil wir alle glauben, wir hätten noch viel Zeit. Das Miteinander mit Daniel ist da konkreter. Wir haben zwei Stunden Zeit, um Spaß zu haben. Dann ist seine Kraft für den Tag verbraucht. Wenn du in einer Situation bist wie Daniel, kannst du es dir nicht mehr erlauben, schlecht drauf zu sein. Wenn man das auf sein eigenes Leben überträgt, läuft man viel mehr wie Peter Pan oder Pippi Langstrumpf durch die Welt.
Wie geht es Daniel?
Er lebt. Das ist ein Beweis dafür, was alles möglich ist, wenn man einen Sinn im Leben erkennt. Als wir uns kennengelernt haben, war sein Leben grau. Er hatte keine Freunde und war ständig im Krankenhaus. Da fragt man sich schon, warum man kämpfen soll, wenn die Ärzte sagen, dass es nicht mehr besser wird. Aber Daniel hat eines erkannt. Wenn er die Untersuchungen über sich ergehen lässt, komme ich am Wochenende, um wieder Blödsinn mit ihm anzustellen. Er hatte auf einmal Ziele, die ihm Lebensenergie gaben. Die Ärzte haben damals gesagt, man könne von Glück sprechen, wenn er noch einen Geburtstag erlebt. Und aus einem Geburtstag wurden bis jetzt sechs.
Was bedeutet das für den gelebten Alltag?
Wenn Daniel morgen sterben würde – was wir natürlich alle nicht hoffen –, dann wissen wir, dass man ihm das bestmögliche Leben ermöglicht hat. Umgemünzt auf den Alltag: Wenn man einmal 80 Jahre alt ist und zurückblickt, dann möchte man nichts bedauern. Man will sagen können: Es war ein gutes Leben. Wenn du dir aber eingestehen musst, dass du dich nie getraut hast, das zu tun, was du
tun wolltest, dann ist das die ultimative Niederlage. Schaut man Fotos von früher an, schämt man sich vielleicht für seine Klamotten. Aber es war in dem Moment das Richtige und man dachte, man sei superheiß (lacht). So ist das mit allen Entscheidungen. Im Hier und Jetzt keine zu treffen, weil man Angst hat, den falschen Weg einzuschlagen, ist doch irrsinnig.
Welche Fahrtrichtung fühlt sich im Moment für Sie richtig an?
Mein Weg mit „Why not?“ist noch nicht zu Ende. Das merke ich auch in Österreich. Das Buch ist im Verhältnis zu den Einwohnern gerechnet viel erfolgreicher als in Deutschland. Ich lese es in Briefen, die ich bekomme. Viele schreiben, dass ich ihnen helfen konnte. Daraus ziehe ich Motivation.