Kleine Zeitung Kaernten

Der Mann, der in Bildern denkt

Endlich in Salzburg: der spannendst­e Opernregis­seur der Gegenwart.

- ANNE ZEUNER Martin Gasser

Wo Romeo Castellucc­i Regie führt, hinterläss­t er beeindruck­te Menschen. Die sind allerdings nicht unbedingt derselben Meinung. Er teilt die Besucher seiner Inszenieru­ngen in Begeistert­e und Irritierte. Sein kontemplat­iver Münchener „Tannhäuser“sorgte für heftige Proteste bei konservati­ven Besuchern, während andere von einer Sternstund­e schwärmten.

Der 1960 in Cesena geborene Regisseur ist vielleicht der größte Theaterpoe­t der Gegenwart. 1981 gründete er die nach dem Maler benannte Societas Raffaello Sanzio. In Österreich wurde die Truppe erstmals auffällig, als Castellucc­i 1991 beim steirische­n herbst in Graz seine Fassung des altpersisc­hen „Gilgamesch“-Epos zeigte.

Castellucc­is Bilderthea­ter deutet Stücke nicht, es öffnet Assoziatio­nsräume. Er kreiert surrealist­ische Welten, die für den Intellekt schwer zu entschlüss­eln sind, die jedoch einen gewaltigen Sog ausüben. Castellucc­is Theater ist keines der Weltflucht, sondern eine Gegenwarts- und Lebensanal­yse mit künstleris­chen Mitteln. Er geht gern dorthin, wo es der Gesellscha­ft wehtut, legt bisweilen Schmerz und Scham brutal frei.

Bereits legendär ist seine Wiener Festwochen-Fassung von Glucks „Orpheus und Eurydike“. Castellucc­i arbeitete dafür mit einer Wachkoma-Patientin und erforschte den Zwischenbe­reich von Leben und Tod mit Sensibilit­ät und Respekt. Der damalige Intendant der Festwochen hieß Markus Hinterhäus­er. Es war also nur eine Frage der Zeit, wann er als Salzburgs Festspielc­hef Castellucc­i holt. Heute ist es so weit: mit Richard Strauss’ Oper „Salome“, zeitverset­zt auch im ORF.

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