Am dünnen Faden der Hoffnung
Einem großen Helden, der nie einer sein wollte, setzt Erich Hackl in seinem neuen Buch „Am Seil“ein zutiefst berührendes Denkmal: dem Judenretter Reinhold Duschka.
Er war der beste Freund ihres Vaters, zu einer Zeit, in der Männer noch beste Freunde und Frauen beste Freundinnen hatten, vor einer halben Ewigkeit also.“So beginnt Erich Hackls neues Werk, als „Heldengeschichte“. Aber sie handelt von einem wortkargen Mann, der geraume Zeit jeden Ruhm, jede Würdigung strikt ablehnte. In der Meinung, doch nur Selbstverständliches getan zu haben, in einer Zeit, in der Deportationen, Verrat, Verschleppungen, Abtransporte in Konzentrationslager an der Tagesordnung standen.
Mehr als vier Jahre lang versteckte der wortkarge Kunstschmied und leidenschaftliche Bergsteiger Reinhold Duschka die jüdische Chemikerin Regina Steinig und deren Tochter Lucia Heilman in seiner Werkstätte im Wiener Werkhof und rettete sie so vor der Deportation.
Erich Hackl, der eine spezielle, fast einzigartige Form des dokumentarischen Erzählens entwickelt hat, recherchierte die Hintergründe dieser Geschichte. Seine wichtigste Informantin wurde Lucia Heilman, mittlerweile 88 Jahre alt. Sie war eine der Mitwirkenden an dem enorm bedeutsamen Burgtheaterprojekt „Die letzten Zeugen“im Jahr 2013 – anlässlich des 75. Jahrestags des Novemberpogroms 1938.
Völlig schnörkellos und schlicht holt Erich Hackl die Zeit des Barbarentums in die
Gegenwart, immer wieder erweckt er den Anschein, er möchte sich als Autor völlig aus der Geschichte heraushalten, die Worte und Sätze aber erwecken den Eindruck, sie würden sich allesamt bereitwillig zur Verfügung stellen, als wichtigster Bestandteil berührender, beklemmender, oft kaum fassbarer Geschehnisse. All die Ängste, verraten oder entdeckt zu werden, steigern sich ins Ge- spenstische – aber es ist pure, wahnwitzige Realität.
Es gibt, sagt Lucia Heilman in einer Passage, „zwar einen Haufen Bücher über die Opfer, auch über die Täter, aber kaum welche über die Retter“. Man kennt Oskar Schindler, man kennt vielleicht noch Anton Schmid, aber kaum jemand kennt Reinhold Duschka, der auch in den Nachkriegsjahren kaum ein Wort über seine heroische Tat verlor. 2013 wurde an der Fassade des Werkstättenhofes eine Gedenktafel für ihn angebracht, in Israel wurde er als einer von 88 „Gerechten unter den Völkern“geehrt, die in der NS-Zeit ihr Leben riskierten, um andere zu retten. Er rettete, dank Hackl, mehr: den Glauben an Mitmenschlichkeit.