Wenn Angehörige an ihre Grenzen kommen
Pflege innerhalb der Familie: warum Überforderung keine Entschuldigung für schlechte Pflege ist und wieso sich Angehörige bei ihrer Pflegearbeit unbedingt helfen lassen sollten.
Werden Missstände in öffentlichen Pflegeeinrichtungen bekannt, geht ein Aufschrei durch die Bevölkerung. Dann gehört dringend etwas getan. Findet Pflege innerhalb der Familie statt, wird hingegen selten gern und schon gar nicht genau hingeschaut. Sobald die Situation dann ganz offensichtlich aus dem Ruder läuft, wird dies gern mit „Überforderung“abgetan. Schicksal, ist halt so? „Von wegen“, sagt dazu die deutsche Altersforscherin, Psychotherapeutin und Buchautorin Gerda Blechner, die genug von der Verharmlosung des Themas hat. „Weltweit finden nur knapp 20 Prozent aller Misshandlungen von Pflegebedürftigen laut WHO-Bericht in Alters- und Pflegeheimen statt und gut 80 Prozent im familiären Rahmen“, sagt sie und meint damit nicht nur körperliche Übergriffe, sondern auch und vor allem die ganze Palette an psychischen Grausamkeiten. 192 Familien, in denen ein Angesagt höriger gepflegt wird, begleitete sie über zwei Jahre mit gesprächsund familientherapeutischen Sitzungen, um herauszufinden, was eine gelungene Pflegebeziehung ausmacht bzw. verhindert. Das größte Problem, das sie dabei feststellte, war die Machtumkehr: Der plötzliche Rollentausch, wenn etwa das Kind die Verantwortung für seine Eltern übernehmen muss, ist schon schwierig genug und verändert die Familiendynamik ohnehin gehörig. „Zusätzlich ist Pflege aber weit mehr als ein Zipfelchen von Macht“, sagt die Expertin. „Wenn Kinder früher oft von ihren Eltern zu Dingen gezwungen wurden, kippt die Situation häufig, wenn sie nicht mehr die Hilflosen sind, sondern die Starken.“
Wie gut eine Pflegebeziehung gelingt, hängt davon ab, wie gut die Beziehung vor Eintritt der Pflegebedürftig- war. Hinzu kommt noch die eigene Persönlichkeitsstruktur: „Wenn ich glaube, dass etwas immer genau so zu geschehen hat, wie ich mir das vorstelle, wird es in der Pflege schwierig, weil der Gepflegte das alles vielleicht gar nicht mehr leisten kann, was ich von ihm erwarte“, Blechner. Der Ausweg aus dem Dilemma: „Es ist keine Schande zuzugeben, dass man sich um seinen Angehörigen nicht genug kümmern kann. In manchen Konstellationen geht das einfach nicht“, sagt Blechner und appelliert: „Wichtig, ist es, Hilfe von außen anzunehkeit
Anders gesagt: