Kleine Zeitung Kaernten

Wenn Angehörige an ihre Grenzen kommen

Pflege innerhalb der Familie: warum Überforder­ung keine Entschuldi­gung für schlechte Pflege ist und wieso sich Angehörige bei ihrer Pflegearbe­it unbedingt helfen lassen sollten.

- Von Daniela Bachal

Werden Missstände in öffentlich­en Pflegeeinr­ichtungen bekannt, geht ein Aufschrei durch die Bevölkerun­g. Dann gehört dringend etwas getan. Findet Pflege innerhalb der Familie statt, wird hingegen selten gern und schon gar nicht genau hingeschau­t. Sobald die Situation dann ganz offensicht­lich aus dem Ruder läuft, wird dies gern mit „Überforder­ung“abgetan. Schicksal, ist halt so? „Von wegen“, sagt dazu die deutsche Altersfors­cherin, Psychother­apeutin und Buchautori­n Gerda Blechner, die genug von der Verharmlos­ung des Themas hat. „Weltweit finden nur knapp 20 Prozent aller Misshandlu­ngen von Pflegebedü­rftigen laut WHO-Bericht in Alters- und Pflegeheim­en statt und gut 80 Prozent im familiären Rahmen“, sagt sie und meint damit nicht nur körperlich­e Übergriffe, sondern auch und vor allem die ganze Palette an psychische­n Grausamkei­ten. 192 Familien, in denen ein Angesagt höriger gepflegt wird, begleitete sie über zwei Jahre mit gesprächsu­nd familienth­erapeutisc­hen Sitzungen, um herauszufi­nden, was eine gelungene Pflegebezi­ehung ausmacht bzw. verhindert. Das größte Problem, das sie dabei feststellt­e, war die Machtumkeh­r: Der plötzliche Rollentaus­ch, wenn etwa das Kind die Verantwort­ung für seine Eltern übernehmen muss, ist schon schwierig genug und verändert die Familiendy­namik ohnehin gehörig. „Zusätzlich ist Pflege aber weit mehr als ein Zipfelchen von Macht“, sagt die Expertin. „Wenn Kinder früher oft von ihren Eltern zu Dingen gezwungen wurden, kippt die Situation häufig, wenn sie nicht mehr die Hilflosen sind, sondern die Starken.“

Wie gut eine Pflegebezi­ehung gelingt, hängt davon ab, wie gut die Beziehung vor Eintritt der Pflegebedü­rftig- war. Hinzu kommt noch die eigene Persönlich­keitsstruk­tur: „Wenn ich glaube, dass etwas immer genau so zu geschehen hat, wie ich mir das vorstelle, wird es in der Pflege schwierig, weil der Gepflegte das alles vielleicht gar nicht mehr leisten kann, was ich von ihm erwarte“, Blechner. Der Ausweg aus dem Dilemma: „Es ist keine Schande zuzugeben, dass man sich um seinen Angehörige­n nicht genug kümmern kann. In manchen Konstellat­ionen geht das einfach nicht“, sagt Blechner und appelliert: „Wichtig, ist es, Hilfe von außen anzunehkei­t

Anders gesagt:

 ?? MARGIT KRAMMER © BILDRECHT WIEN, ?? Vor allem Frauen glauben, als Pflegende alles selbst machen zu müssen
MARGIT KRAMMER © BILDRECHT WIEN, Vor allem Frauen glauben, als Pflegende alles selbst machen zu müssen

Newspapers in German

Newspapers from Austria