Die heiligen Seelen im Fegefeuer und Beppe Grillo
Wer eine Stadt nicht nur oberflächlich kennenlernen will, muss sich in ihren Untergrund begeben. Dieser Devise ist beherzt Ulrich van Loyen gefolgt. Für sein im edlen Berliner Verlag Matthes & Seitz erschienenes Buch „Neapels Unterwelt“hat der deutsche Ethnologe und Literaturwissenschaftler 14 Monate in der jahrtausendealten Metropole am Fuße des Vesuvs verbracht und ist in deren Unterkirchen, Katakomben und Grüfte hinabgestiegen, um über das Studium des dort bis zum heutigen Tag praktizierten pittoresken Kults der „Anime Sante del Purgatorio“, der „Heiligen Seelen im Fegefeuer“, mehr über das pulsierende Leben der Menschen obertag zu erfahren. Er wollte wissen, woher die Affinität der Neapolitaner zu Zwischenreichen wie Transgender, Geis- tern, Adoptionsgemeinschaften und zu Freundschaften mit anonymen Toten rührt und traf dafür Seherinnen, Heilerinnen und Exorzisten. Sein Interesse galt aber auch der Frage, wie sich in einer Stadt der Extreme, die sich selbst stets als eigener, völlig abgeschlossener Kosmos empfunden hat und auch vom Rest Italiens so gesehen wird, Zugehörigkeiten definieren.
Ob es zwischen der in Neapel stark vertretenen Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers
Beppe Grillo und dem von ihr fast wahnhaft propagierten Reinheitsideal und dem Kult um die Toten im Fegefeuer eine Verbindung gibt, vermag der Autor nicht letztgültig zu beantworten. Amüsant und lesenswert ist seine flott geschriebene Studie aber allemal.