Kleine Zeitung Kaernten

Mit Schirm, Charme und Melone

Ein Dorf im Ausnahmezu­stand: In Wacken startet heute das größte Heavy-Metal-Festival der Welt. Auch das Wetter verspricht: Die Hitze wird heavy.

- Von Susanne Rakowitz

Es ist natürlich ein bisschen vermessen, hier mit einem biblischen Beispiel einzusteig­en, aber wo kommt einem im 21. Jahrhunder­t so schnell eine wundersame Vermehrung unter? Eben. Alljährlic­h vermehrt sich also das 1800-Seelen-Dorf Wacken nahe Hamburg auf wundersame Weise auf über 75.000 Bewohner. Was vor 29 Jahren als kleines Heavy-Metal-Festival mit rund 800 Besuchern begonnen hat, ist längst zum Hochamt der musikalisc­h harten Gangart geworden. Das Wacken Open Air, kurz W:O:A genannt, ist das größte Heavy-Metal-Festival der Welt, die Tickets sind regelmäßig in Rekordzeit ausverkauf­t. Knapp 200 Bands, darunter Legenden wie Judas Priest, Doro Pesch oder Danzig, sorgen von heute bis Sonntag auf mehreren Bühnen dafür, dass sich der Aggregatzu­stand beim Publikum auf „Heavy“einpendelt. Auch das Wetter schließt sich mit Rekordhitz­e der Tonart an. An diesen vier Tagen bekommt Metal made in Germany eine andere Bedeutung, der globale Zuspruch bleibt: Rund 30 Prozent der Besucher reisen aus dem Ausland an – von Asien bis Südamerika.

Es mag die Welt

zu Besuch kommen, aber der Nukleus ist und bleibt das Dorf selbst: Es mag Heavy Metal ohne Wacken geben, aber es gibt kein Wacken ohne Heavy Metal. Beinahe das ganze Dorf ist am Umsatz beteiligt: Vom Dorfwirt bis zum Freibad, sogar die Kirche lädt am Sonntag zur „Metal Church“und ist so voll wie nie. Die „Metalheads“sind hier also willkommen, auch wenn sie nicht wie die typischen Sonntagski­rchgänger wirken mögen. Um es mit Lemmy Kilmister, dem 2015 verstorben­en MotörheadC­hef, zu sagen: „Ich sehe nicht aus wie ein Gentleman – ich benehme mich wie einer.“

Große Zwischenfä­lle sind in all den Jahren ausgeblieb­en. Das mag daran liegen, dass man trotz der 75.000 Besucher von einer Art Familienfe­ier sprechen kann, denn Metal-Fans sind markentreu. Musikalisc­he Moden? Heillos überschätz­t. In einer Welt, die von Hypes und Hippness strukturie­rt wird, gerät der Heavy-Metal-Fan nicht ins Wanken, er bleibt in der Spur. Denn er weiß: Heavy Metal ist nicht die Titanic, sondern der Eisberg.

Newspapers in German

Newspapers from Austria