„Ein Spitzendiplomat, für den Kärnten voller Kraftquellen war“
Ursula Plassnik, Botschafterin in der Schweiz, über ihren Freund Hans Kyrle, der die Hollenburg in einen modernen Forstbetrieb verwandelt hat.
In diesen Sommertagen hätten wir wieder miteinander „gekämpft“, um ein Exemplar der International New York Times in der Trafik von Reifnitz. Und hätten nebenan im Lakeside miteinander einen G’spritzn getrunken beim Austausch der Weltneuigkeiten. Am 30. Juli wäre Hans Kyrle 70 geworden. Ende Jänner ist er in Wien verstorben.
Seinen Geburtstag hätte er wie immer in Kärnten verbracht, am See oder im Bärental, in aller Stille, im Kreis seiner Familie. Als junger Mann hatten er und sein jüngerer Bruder die Hollenburg von der kinderlosen Schwester ihres Vaters geerbt. Schon als Kind war der Enkel von Bundespräsident Adolf Schärf viel auf der Hollenburg und in Dellach, nach dem Tod von Hans Maresch unterstütze er seine Tante Christl, wo er konnte. Die wenigsten, die den erfolgreichen Spitzendiplomaten und langjährigen Generalsekretär des österreichischen Außenministeriums kannten, wussten, dass er die Kärnten-Ikone Hollenburg seit 1979 mit viel Geschick und Einfühlungsvermögen zu einer modernen Land- und Forstwirtschaft umgestaltet hatte. Und das sozusagen als Nebenerwerbsbauer. ie Forstverwaltung Hollenburg mit Tausenden Hektar Betriebsfläche bleibt dank Hans Kyrle ein Familienbetrieb. Das morgendliche Telefonat mit Forstdirektor Hans Mattanovich am Weg ins Büro in Wien war fixer Bestandteil seiner Lebensführung, der illyrische Buchenwald ein Herzensthema. Der Windwurf in Kärnten im Dezember 2017 bedrückte ihn zuletzt sehr.
Kärnten war voller Kraftquellen für Hans Kyrle.
DEnde Jänner ist Hans Kyrle in Wien verstorben. Im Juli wäre er 70 Jahre alt geworden
Schwimmen im Wörthersee bei Blitz und Donner, Eislaufen auf langen Kufen mit der Gesamtfamilie einschließlich 90+ jähriger Omama, Tanzen in der Marietta-Bar in den Sechzigerjahren. Im Dezember hat er seinen Enkerln noch beim Skifahren im Bodental zugesehen, es waren die letzten schönen Momente. ans Kyrle war sportlich (Golf Handicap 2), humorvoll, wissensreich.
Nie hat er sich ins Scheinwerferlicht gedrängt, alles Marktschreierische war ihm unangenehm. Es ging ihm ausnahmslos um die Sache, nie um seine Person. Er hatte nicht nur ein herausragendes diplomatisches Fachwissen, er kannte und verstand die Zusammenhänge. Seine Kunst war das geduldige Bearbeiten hochkomplexer Themen, sein besonderes Anliegen die Nachbarschaft.
Hans Kyrle war Staatsdiener im tiefsten Sinn des Wortes, ein Vertrauensstifter an der heiklen Schnittstelle zwischen Politik und Diplomatie. Sein Rat wurde geschätzt von Poli-
Htikern aller Farbschattierungen und Generationen, im Inund Ausland. Zehn Außenministern war er ein unentbehrlicher Partner in den 40 Jahren seines Wirkens am Ballhausund später am Minoritenplatz. Als überzeugter Europäer wirkte er maßgeblich an den EU-Beitrittsverhandlungen und an den beiden österreichischen EU-Vorsitzen 1998 und 2006 mit. Für den Weltbürger Kyrle waren Kärnten, Österreich und das geeinte Europa gleichermaßen Heimat, nie Gegensatz. eine Aufmerksamkeit galt immer auch dem Nachbarn auf der anderen Seite der Grenze, niemand hatte über die Jahrzehnte bessere Kontakte mit Slowenien. Der Geschichte Kärntens und der Kärntner Slowenen galt seine Leidenschaft, oft hat er mir aus Antiquariaten vergriffene Werke zum Geburtstag geschenkt. Ich hätte mir ein Buch gewünscht, von ihm geschrieben, über die internationale Geschichte Kärntens. Das Schicksal hat anders entschieden. Ex-Außenministerin Ursula Plassnik
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